Außerordentliche Kündigung wegen des Aufladens eines privaten PKW am Arbeitsplatz
8. Mai 2024Das Arbeitsgericht Duisburg hat am 10.03.2023 (Az. 5 Ca 138/22) entschieden, dass das unerlaubte Aufladen des privaten PKW durch den Mitarbeiter auf Kosten des Arbeitgebers einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen und damit eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Sofern durch den Arbeitgeber jedoch das Aufladen anderer Elektrogeräte geduldet wird, ist eine vorherige Abmahnung durch den Arbeitgeber erforderlich.
Zur Entscheidung:
1) Sachverhalt
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.07.2018 als Rezeptionist beschäftigt. Am 12.01.2022 lud er seinen privaten PKW an einer 220 Volt Steckdose, die sich im Flur des Seminartraktes der Beklagten befindet. Dadurch hat der Kläger Strom im Wert von etwa 40 Cent entwendet. Bereits zuvor hat der Kläger sein Auto mehrfach im Betrieb der Beklagten geladen. In der Hausordnung der Beklagten, welche sich jedoch an die Gäste richtet, steht, dass das Aufladen von Akkus für Elektromotoren in den Räumen der Beklagten aus Sicherheitsgründen untersagt ist. Das Aufladen von privaten, kleineren Elektrogeräten (zB Handys) wurde von der Beklagten geduldet.
Aufgrund des Aufladevorgangs vom 12.01.2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 13.01.2022 fristlos. Dagegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben.
2) Entscheidung des Gerichts
Das Gericht hat entschieden, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist.
In dem mehrmaligen, unerlaubten Aufladen des privaten PKWs durch den Kläger liegt dem ArbG Duisburg zufolge grundsätzlich ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB. Sofern ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche – ggfs. strafbare – Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers begehe, verletze er seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 II BGB erheblich. Zudem missbrauche er unabhängig von der Schadenshöhe das in ihn gesetzte Vertrauen.
Dies rechtfertige jedoch laut dem ArbG Duisburg im hiesigen Einzelfall in Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen keine außerordentliche Kündigung. Vielmehr wäre hier eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen. Im Rahmen der Bewertung der Pflichtverletzung des Klägers sei zu berücksichtigen, dass das Laden kleinerer elektronischer Geräte bei der Beklagten zumindest teilweise geduldet wurde. Vor diesem Hintergrund könne trotz des strafbewehrten Verhaltens des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass ihm ohne weiteres klar sein musste, dass der Beklagte das Verhalten nicht dulden werde und er damit den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses gefährde.
Hintergrund:
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Ob ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, wird nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 27. 4. 2006 – 2 AZR 386/05; BAG, Urteil vom 10. 12. 2009 – 2 AZR 534/08; BAG, Urteil vom 28. 1. 2010 – 2 AZR 1008/08) zweistufig ermittelt: Zunächst ist auf der ersten Stufe zu ermitteln, ob der Sachverhalt abstrakt einen wichtigen Grund darstellen kann. Sofern dies der Fall ist, wird auf der zweiten Stufe geprüft, ob der Sachverhalt auch im konkreten Fall einen wichtigen Grund darstellt. Hierbei ist insbesondere darauf abzustellen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht.
Die im Rahmen Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umständen lassen sich nicht abschließend und für alle Fälle einheitlich festlegen. Sofern es um die Beurteilung rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers geht, sind jedoch insbesondere die beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers miteinzubeziehen (BAG, Urteil vom 28. 1. 2010 – 2 AZR 1008/08).
Anmerkung:
Wer unerlaubt am Arbeitsplatz private Elektrogeräte lädt, riskiert eine (fristlose) Kündigung. Denn der Stromanschluss ist Teil des Betriebs und die Stromkosten bezahlt der Arbeitgeber. Um Klarheit hinsichtlich des Aufladens privater Elektrogeräte im Unternehmen zu schaffen, sollten klare Regelungen getroffen werden.
Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben oder eine rechtliche Beratung im Arbeitsrecht benötigen, können Sie sich gerne an das erfahrene Arbeitsrechtsteam von ATN Rechtsanwälte wenden.
Dieser Beitrag entstand durch die Co-Autorschaft von Herrn Philipp Leuchten, Rechtsreferendar bei ATN Rechtsanwälte.
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