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BGH: Erhöhte Haftung für Geschäftsführer bei Insolvenzverschleppung

2. September 2024

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 24. Juli 2024 (II ZR 206/22) klargestellt, dass ein ausgeschiedener Geschäftsführer gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a InsO grundsätzlich auch für Schäden haftet, die Neugläubiger erleiden, wenn diese nach seinem Ausscheiden in vertragliche Beziehungen mit der Gesellschaft getreten sind, sofern die durch die Verzögerung der Insolvenzanmeldung entstandene Gefahrenlage zum Zeitpunkt der Schadensentstehung noch bestand.

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin etwa 50.000 Euro in Seefrachtcontainer investiert, die von einer Gesellschaft der P+R Gruppe verwaltet werden sollten. Die Investoren erhielten über fünf Jahre einen garantierten Mietzins, und die Container sollten am Ende der Laufzeit zurückgekauft werden. Als das Geschäftsmodell in Schwierigkeiten geriet, versuchte die P+R Gruppe, Liquiditätsprobleme durch neues Anlegerkapital zu überbrücken.

Im März und April 2018 beantragten die P+R Gesellschaften die Eröffnung von Insolvenzverfahren. Der Geschäftsführer mehrerer P+R Gesellschaften, mit denen die Klägerin Verträge geschlossen hatte, verstarb im Juni 2018. Drei der Verträge hatte die Klägerin während der Amtszeit des Geschäftsführers abgeschlossen, den vierten jedoch nach dessen Abberufung. Die Klägerin forderte von der Beklagten als Gesamtrechtsnachfolgerin des verstorbenen Geschäftsführers Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung.

Das Landgericht München I hatte der Klägerin für die ersten drei Verträge Recht gegeben, die Klage im Übrigen jedoch abgewiesen (29 O 11139/19). Das Oberlandesgericht München gab der Berufung der Klägerin auch für den vierten Vertrag statt, jedoch sei die Haftung eines ausgeschiedenen Geschäftsführers grundsätzlich auf Schäden beschränkt, die vor dem Ende seiner Amtszeit entstanden sind, und nur ausnahmsweise auf Verträge, die im Dreiwochenzeitraum des § 15a Abs. 1 InsO aF geschlossen wurden (8 U 2506/20). Mit ihrer Revision verfolgte die Beklagte das Ziel, die gesamte Klage abzuweisen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hob das Berufungsurteil teilweise auf und stellte klar, dass die Haftung eines ausgeschiedenen Geschäftsführers nicht nur auf Schäden beschränkt sei, die vor dem Ende seiner Amtszeit entstanden sind. Ein ausgeschiedener Geschäftsführer hafte gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO auch für Schäden von Neugläubigern, die erst nach seinem Ausscheiden in vertragliche Beziehungen mit der Gesellschaft getreten sind, sofern die durch seine Verletzung der Insolvenzantragspflicht entstandene Gefahrenlage im Zeitpunkt der Schadensentstehung noch bestand.

Mit dem Ende seiner Organstellung entfällt zwar die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers, jedoch werden bereits begangene Pflichtverletzungen dadurch nicht rückwirkend aufgehoben. Der Geschäftsführer haftet somit auch für Schäden von Neugläubigern, die erst nach seinem Ausscheiden Vertragspartner der Gesellschaft geworden sind, wenn die durch die unterlassene Antragstellung verursachte Gefahrenlage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses fortbestand und für den Schaden ursächlich war.

Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht kann auch nach dem Ende der Organstellung noch mitursächlich für spätere Vertragsschlüsse der Gesellschaft sein, da es bei rechtzeitiger Antragstellung zu diesen Verträgen nicht gekommen wäre. Die daraus entstehenden Schäden sind ebenfalls durch die Pflichtverletzung des ausgeschiedenen Geschäftsführers verursacht, weil die Verzögerung der Insolvenzanmeldung in der Regel zu einer Fortführung der insolvenzreifen Gesellschaft und weiteren Vertragsschlüssen führt.

Der Bundesgerichtshof betonte, dass das Verbot der Insolvenzverschleppung nicht nur dem Schutz des Gesellschaftsvermögens dient, sondern auch verhindern soll, dass insolvenzreife Gesellschaften weiterhin am Geschäftsverkehr teilnehmen und dadurch Gläubiger schädigen oder gefährden. Dieser Schutzzweck bleibt auch nach der Beendigung der Geschäftsführerstellung bestehen, solange die durch die Pflichtverletzung entstandene Gefahrenlage weiterwirkt.

Fazit

Das Urteil des Bundesgerichtshofs erhöht die Haftungsrisiken für Geschäftsführer im Falle einer Insolvenzverschleppung erheblich. Ein ausgeschiedener Geschäftsführer kann nun auch für Schäden haftbar gemacht werden, die nach seinem Ausscheiden entstehen, wenn er zuvor die Insolvenzantragspflicht verletzt hat. Die Entscheidung ist dogmatisch nachvollziehbar, da die Abberufung nicht automatisch den Kausalzusammenhang zwischen der unterlassenen Antragstellung und einem später entstandenen Schaden aufhebt. Selbst wenn die Insolvenzantragspflicht auf den neuen Geschäftsführer übergeht, kann der ausgeschiedene Geschäftsführer weiterhin haften. Wann ein Schaden nicht mehr dem ausgeschiedenen Geschäftsführer zuzurechnen ist, wird anhand einer wertenden Betrachtung ermittelt; ein bloßer Wechsel in der Geschäftsführung reicht hierfür nicht aus.

Das zugehörige Urteil (II ZR 206/22) vom Bundesgerichtshof finden Sie hier.

 

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