Aus dem CovInsAG wird das SanInsKG

21. Oktober 2022

Zur Umsetzung des Maßnahmenpakets des Bundes zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen vom 3. September 2022 wird das Insolvenzrecht weiter angepasst. In dem Maßnahmenpaket wurde u.a. eine Erleichterung bei der Insolvenzantragspflicht gefordert, so dass „Unternehmen, die im Kern gesund und auch langfristig unter den geänderten Rahmenbedingungen überlebensfähig sind, (…) ihre Geschäftsmodelle anpassen können.“

Der Bundestag beschloss nunmehr am 20.10.2022 auf Empfehlung des Rechtsausschusses (Drucksache 20/4087) das „Gesetzes zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes“. Zwar hat das Insolvenzrecht keinen unmittelbaren Bezug zu dem Güterrechtsregister, dennoch wurde der Gesetzentwurf im federführenden 6. Rechtsausschuss um die sanierungs- und insolvenzrechtlichen Regelungen ergänzt, um entsprechend schnell auf die aktuellen Verhältnisse und Entwicklungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten reagieren zu können. Denn diese belasten nicht nur die wirtschaftliche Situation von Unternehmen, sondern erschweren insbesondere auch die gesetzlich vorgeschriebene Unternehmensplanung.

Im Ergebnis wird damit das bestehende COVInsAG umbenannt in das „Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen“ (SanInsKG). Das Gesetz soll damit nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur die Folgen der Covid-19 Pandemie erfassen, sondern auch andere Krisenfolgen, wie u.a. die aktuelle Energiekrise, abfedern. Die Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht gehen mit einer Änderung des § 4 COVInsAG a.F. bzw. nunmehr § 4 SanInsKG einher.

Insbesondere reduziert sich der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung (§§ 15a, 19 InsO) von zwölf auf vier Monate. Die Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen (§§ 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO, 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG) reduzieren sich von sechs auf vier Monate. Zudem wird die Höchstfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung von sechs auf acht Wochen verlängert. Die Regelungen sollen bis zum 31. Dezember 2023 gelten. Eine generelle Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gibt es somit nicht.

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Die Unternehmensplanung in Krisenzeiten

8. Juli 2022

Die Covid-19 Pandemie, die Halbleiterkrise und der Ukraine-Krieg haben in den vergangenen Monaten die deutsche Wirtschaft erheblich belastet. Die Auswirkungen in Form von Rohstoffknappheit, Lieferkettenproblemen, gestiegenen Material- und Personalkosten und insbesondere massiv gestiegenen Energiekosten sind markant. Einzelne Branchen, z.B. der Anlagenbau oder die Automobilzulieferer, standen bereits vor Corona unter erheblichem wirtschaftlichem Druck. Die Situation für die Unternehmen hat sich jedoch erheblich verschärft. Die derzeitige Gaskrise ist für viele Unternehmen nun existenzbedrohend und eine Verbesserung der Lage ist nicht in Sicht.

Unternehmensplanung im Rahmen der Krisenfrüherkennung

Die Geschäftsführer einer juristischen Person sind nach § 1 Abs. 1 S. 1 StaRUG dazu verpflichtet, fortlaufend über Entwicklungen zu wachen, welche den Fortbestand des Unternehmens gefährden können. Die Insolvenzgründe der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind somit zu überwachen. Dazu gehört im Rahmen der Krisenfrüherkennung insbesondere die Erstellung einer Unternehmensplanung.
Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass das bloße Fortschreiben der Unternehmensplanung mit historischen Werten nicht mehr zu belastbaren Ergebnissen führt. Ein Blick in die Zukunft ist für die Geschäftsführer jedoch mit Unwägbarkeiten behaftet. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Prognosezeitraum für die Ermittlung einer (nur) drohenden Zahlungsunfähigkeit in aller Regel 24 Monate beträgt. Eine belastbare Aussage über die weiteren Krisenverläufe zu treffen ist selbst auf Wochenbasis aktuell schon nahezu unmöglich. Wie kann dann eine belastbare Planung für die nächsten 24 Monate erstellt werden?

Rollierende Planung als Grundlage

Grundsätzlich sollte auf Grundlage einer vollständigen kurzfristigen operativen und langfristigen strategischen Unternehmensplanung (inkl. Absatz-, Produktions- und Investitionsplanung) eine laufend zu aktualisierende Liquiditätsplanung mit einem Planungszeitraum von 24 Monaten erstellt werden. Die Liquiditätsplanung muss mindestens die aktuell verfügbaren liquiden Mittel (Bankenbestand, KK-Linie, Kassenbestand), die Ein- und Auszahlungen anhand der OP-Debitoren und OP-Kreditoren unter Einbeziehung der entsprechenden Fälligkeiten, die Auftragsliste bzw. Businessplan mit entsprechenden Zahlungszielen, wiederkehrende Auszahlungen für Dauerschuldverhältnisse, Steuerverbindlichkeiten, Personalkosten, Sozialversicherungen, notwendige Investitionen sowie sonstige anfallende Ein- und Auszahlungen berücksichtigen. In der Folge sind vor dem Hintergrund des „Ausgleichgesetzes der Planung“ sowohl positive als auch negative Abweichungen in den Planungen regelmäßig zu prüfen, zu bewerten und schließlich in der rollierenden Planung ggf. auf allen Stufen angepasst abzubilden (Soll-Ist-Vergleich).

Szenario-Analyse zur Darstellung von Unwägbarkeiten

Das Prinzip Hoffnung als Planungsgrundlage ist in Krisenzeiten nicht ausreichend. Aufgrund der unsicheren Krisenlage, sollten Geschäftsführer daher den Fokus auf die strategische Szenario-Analyse legen. Hierbei werden mögliche Entwicklungen, erkannte Risiken und deren potentielle Auswirkungen auf das Unternehmen in Extremszenarien (Best-Case/Worst-Case) sowie ein wahrscheinliches Szenario (Trendszenario) definiert, um „Überraschungen“ möglichst zu vermeiden. Das bedeutet für Geschäftsleiter zwar einen erheblichen Aufwand, liefert aber zugleich einen guten Überblick auf mögliche Entwicklungen in der Zukunft. Die Unternehmensstrategie kann somit frühzeitig überprüft und ggf. angepasst werden.

Fazit

Im Ergebnis müssen Geschäftsleiter aktuell genauer denn je potentielle unternehmensinterne und externe Krisensignale im Blick haben. Werden derartige Krisensignale identifiziert, müssen deren Risiken und möglichen Folgen für das Unternehmen bewertet bzw. definiert werden. Insbesondere steigende Energiekosten, Nachfragerückgänge, Lieferprobleme seitens der Lieferanten, Kürzung von Zahlungszielen oder Forderungsausfälle müssen unmittelbar hinterfragt und in der Planung berücksichtigt werden. Wichtig ist, dass sämtliche Entscheidungs- und Planungsgrundlagen nachvollziehbar dargelegt und dokumentiert werden, um ein Haftungsrisiko im Fall einer Fehleinschätzung möglichst zu vermeiden.

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Das Insolvenzaussetzungsgesetz in der Praxis

14. Dezember 2021

Rechtshandlungen trotz ausgesetzter Insolvenzantragspflicht anfechtbar, wenn tatsächlich bereits Eigenantrag gestellt war

Seit Implementierung der zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen und der damit verbundenen Einschränkungen geschäftlicher Tätigkeiten von Unternehmen im März 2020 haben die staatlichen Ebenen mit verschiedenen Maßnahmen u.a. auch versucht, die Existenz der beeinträchtigten Unternehmen zu sichern. Dazu hat der Bundesgesetzgeber u.a. das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) erlassen. So wurde gemäß § 1 COVInsAG die in § 15a InsO normierte Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages ausgesetzt, soweit die dazu zwingenden Insolvenzgründe (nur) pandemiebedingt eingetreten waren.

Gleichzeitig wurden alle Beteiligten ermutigt, die Sanierungsbemühungen der pandemiebedingt kriselnden Unternehmen durch pragmatische Handhabung von Zahlungen, Zahlungsverpflichtungen und deren Modifizierungen zu unterstützen. Für diese Maßnahmen wird in einem späteren Insolvenzverfahren die Unanfechtbarkeit fingiert. Voraussetzung dafür ist aber, dass die neben dem Unternehmen weiteren Beteiligten nicht wussten, dass die mit den Bemühungen angestrebte Sanierung gar nicht erreichbar war (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG).

Was passiert, wenn der Eigenantrag bereits gestellt wurde?

Ausweislich eines nun bekannt gewordenen Hinweisbeschlusses des OLG München als Berufungsgericht vom 20.10.2021, Az. 5 U 4809/21 (Vorinstanz LG München I, Urteil v. 13.07.2021, 6 O 17571/20), war dort über die Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung eines Unternehmens zu entscheiden, die vorgenommen worden war, als die Antragspflicht ausgesetzt war, tatsächlich aber bereits ein Eigenantrag gestellt war.

Beide Instanzen kamen zu dem Ergebnis, dass Rechtshandlungen dann nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG von der Anfechtung ausgeschlossen sind, wenn das schuldnerische Unternehmen von seinem Recht, den Insolvenzantrag ausnahmsweise nicht stellen zu müssen, keinen Gebrauch gemacht.

Begründung der Instanzgerichte

Denn zum einen habe der Gesetzgeber mit der Regelung des Insolvenzaussetzungsgesetzes lediglich beabsichtigt, dass die Sanierungsmaßnahmen nicht faktisch wirkungslos blieben, weil die Akteure ihre Bemühungen aus Angst vor dem Scheitern der Sanierung und späteren Anfechtung direkt unterließen. Zum anderen habe der Gesetzgeber lediglich die Fälle zu stützen beabsichtigt, in denen das Unternehmen selbst die Hoffnung auf seine eigene Sanierung nicht bereits aufgegeben habe und das Privileg der Ausnahme von der Pflicht zur Antragstellung auch im Zeitpunkt der fraglichen Handlung tatsächlich noch in Anspruch nehme, also gerade nicht bereits einen eigenen Insolvenzantrag gestellt habe. Die tatsächliche Stellung eines eigenen Insolvenzantrages dagegen zeige gerade, dass die Unternehmung die außerinsolvenzlichen Sanierungshoffnungen trotz Insolvenzaussetzungsgesetz aufgegeben habe.

Da die Gerichte aufgrund des Vorstehenden bereits zu der Überzeugung kamen, dass § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG vorliegend gar nicht erst anwendbar war, hatten sie nicht mehr zu entscheiden, ob der Anfechtungsgegner überhaupt von der Wirkung ausgenommen gewesen wäre, da er nicht Vertragspartner des Schuldners war.

Bewertung im konkreten Fall und generelle Indizwirkung des Eigenantrages

Die Entscheidung ist auf Basis der Entscheidungsgründe nachvollziehbar. Die Bedeutung des bereits gestellten Eigenantrages könnte aber ggf. anders zu bewerten sein, wenn sich nach dessen Stellung eine neue, aussichtreiche Sanierungschance aufgetan hatte, die mit der dann vorgenommenen Rechtshandlung verfolgt wurde. Hat ein erst nach Vornahme der Rechtshandlung eingetretenes weiteres Ereignis die Bemühungen im Ergebnis wieder aussichtslos werden lassen und ist der Eigenantrag bis dahin vorsichtshalber oder aus Zeitgründen zunächst noch und dann in der Folge auch endgültig stehengelassen worden, wird man in die Tatsache, dass ein Eigenantrag gestellt war, nicht ohne weiteres die Dokumentation des Scheiterns sämtlicher Bemühungen interpretieren können und die Rechtshandlung ggf. von der Anfechtung ausnehmen müssen.

(Un-)Anfechtbarkeit auch bei Vorliegen eines Fremdantrages

Spannend ist die zudem Frage, ob die Rechtshandlung auch dann anfechtbar gewesen wäre, wenn der Schuldner zwar von den Möglichkeiten des Insolvenzaussetzungsgesetzes Gebrauch gemacht hätte und (noch) keinen Eigenantrag gestellt gehabt hätte, jedoch ein zulässiger und begründeter Fremdantrag eines dritten Gläubigers vorgelegen hätte. Solche Anträge waren gemäß § 3 COVInsAG im Zeitraum zwischen dem 28.03.2020 und 28.06.2020 nur, wenn der Eröffnungsgrund bereits am 01.03.2020 (oder früher) vorlag, danach aber wieder unbeschränkt zulässig. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG ist nur auf die ausgesetzte Antragspflicht und die nicht gescheiterten Sanierungsbemühungen abzustellen. Ob ein (dem Anfechtungsgegner bekannter) Fremdantrag das Scheitern der Sanierungsbemühungen zu dokumentieren geeignet ist, wird dann zu entscheiden sein. Automatisch dürfte das nicht anzunehmen sein, denn wenn die Sanierungsbemühungen tatsächlich aussichtsreich waren, wäre dem Gläubiger im Zeitpunkt der Antragstellung ggf. sogar ein Zuwarten bis zur Sanierung zuzumuten gewesen. Scheiterten die Bemühungen im Ergebnis aber erst nach der Vornahme der Rechtshandlung aufgrund einer weiteren, unvorhergesehenen Entwicklung, ließe sich in einem solchen Fall auch für die Ausnahme der Rechtshandlung von der Anfechtbarkeit argumentieren.

Rechtsanwalt Peter Mazzotti – Partner, Insolvenzverwalter

Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit „Null“

3. Dezember 2021

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2021, Az. 9 AZR 225/21

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2021, Az. 6 Sa 824/20

Mit aktuellem Urteil vom 30.11.2021 bestätigt das Bundesarbeitsgericht die bislang gelebte Praxis der Kürzung von Urlaubstagen bei Einführung von Kurzarbeit. Dies gelte jedenfalls dann, wenn einzelne Arbeitstage auf Grund von Kurzarbeit vollständig ausfallen, was bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen sei.

In dem zu entscheidenden Fall arbeitete die als Verkaufshilfe beschäftigte Klägerin in Teilzeit. Ihr standen ausgehend von einer Sechstagewoche arbeitsvertraglich 28 Werktage zu. Da sie lediglich an drei Tagen der Woche eingesetzt wurde, war ihr Urlaubsanspruch auf 14 Arbeitstage zu kürzen.

Sodann führte die Beklagte infolge des coronabedingten Arbeitsausfalls Kurzarbeit ein. Die Klägerin wurde in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 vollständig und in den Monaten November und Dezember abgesehen von jeweils fünf Arbeitstagen teilweise von der Arbeitspflicht befreit. Die damit einhergehende verminderte Arbeitspflicht nahm die Beklagte zum Anlass den Jahresurlaub um weitere 2,5 auf nunmehr nur noch 11,5 Urlaubstage zu kürzen.

Hiermit war die Klägerin nicht einverstanden. Sie war der Auffassung, dass kurzarbeitsbedingt ausgefallene Arbeitstage urlaubsrechtlich wie Arbeitstage zu bewerten seien, weswegen ihr weitere 2,5 Urlaubstage zustünden. Die Beklagte vertrat die Ansicht, dass in Kurzarbeit beschäftigte wie Teilzeitbeschäftigte zu behandeln seien. Die Leistungspflichten seien entsprechend suspendiert, mit der Folge, dass bei fehlender Arbeitspflicht auch kein Urlaubsanspruch entstehe.

Die amtliche Urteilsbegründung steht noch aus. Ausweislich der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts und den Ausführungen der Vorinstanz, LAG Düsseldorf, ist der Argumentation der Beklagten jedoch zu folgen:

Der nach § 3 BurlG auf 24 Werktage jährlich zu bemessende Jahresurlaub geht von einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit auf sechs Tage die Woche aus. Verteilen die Parteien die Arbeitszeit vertraglich auf weniger oder sogar mehr Arbeitstage in der Woche, ist die Anzahl der Arbeitstage entsprechend zu reduzieren oder zu erhöhen. Dies gelte mangels anderweitiger Vereinbarung auch für den vertraglichen Mehrurlaub, was vorliegend der Fall war. Weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht gelte etwas anderes. Entscheidend sei der Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs nach § 3 BUrlG von dem die Anzahl der Urlaubstage ausgehe. Abzustellen sei auf die jährliche Verteilung der Arbeitszeit bezogen auf die Wochenarbeitstage. Bei der Einführung von Kurzarbeit „Null“ gelte nichts anderes, da der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit wird. So sehe es auch der EuGH nach Auslegung von Art. 7 I der RL 2003/88/EG, welche durch Einführung von § 3 BUrlG vom Bundesgesetzgeber umgesetzt wurde. Der Zweck des jedem Arbeitnehmer zustehenden Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaubs sei es, dem Arbeitnehmer Zeit für Erholung und Entspannung von seinen täglichen Arbeitsverpflichtungen zu ermöglichen. Das setze jedoch voraus, dass der Arbeitnehmer auch tatsächlich gearbeitet hat. Das ist bei der Einführung von Kurzarbeit „Null“ nicht der Fall. Anderweitige Vorschriften, die der Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit entgegenstünden seien nicht ersichtlich.

Der Urlaubsanspruch der Klägerin war daher folgerichtig auf 11,5 Arbeitstage zu reduzieren.

Die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts ist unter folgendem Link abrufbar:

https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/urlaubsberechnung-bei-kurzarbeit/

 

RA Karl Neumann, LL.M. – Praxisgruppe Arbeitsrecht, ATN Rechtsanwälte

Arbeitgeber trägt bei Corona-Schließung kein Arbeitsausfallrisiko

24. November 2021

Wer trägt das Risiko des Arbeitsausfalls bei einem Lockdown? Jedenfalls nicht der Arbeitgeber, so eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Der Arbeitgeber sei daher nicht verpflichtet, einem Arbeitnehmer die Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs weiter zu zahlen.

Der Fall: Der Arbeitgeber betrieb einen Handel für Nähmaschinen, u.a. mit einer Filiale in Bremen. Dort war die Arbeitnehmerin seit 2019 als geringfügig Beschäftigte im Verkauf tätig. Im April 2020 wurde das Ladengeschäft aufgrund einer örtlichen Allgemeinverfügung im Folge der Pandemie geschlossen. Der Arbeitgeber konnte die Klägerin nicht beschäftigen und zahlte ihr auch keine Vergütung.

Hiergegen klagte die Arbeitnehmerin: Sie verlangte die Fortzahlung der Zahlung ihrer Vergütung in der Zeit der Betriebsschließung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Bei der erzwungenen Filialschließung handele es sich um einen Fall des vom Arbeitgeber zu tragenden Betriebsrisikos. Dagegen wandte der Arbeitgeber ein, die Corona bedingten Schließungen beträfen das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von allen, also auch von den Arbeitnehmern, gleichermaßen zu tragen sei.

Die Vorinstanzen gaben der Klage zugunsten der Arbeitnehmerin statt und verurteilten den Arbeitgeber zu Fortzahlung der Vergütung während der Betriebsschließung.

Die Revision beim Bundesarbeitsgericht hatte dagegen Erfolg und entschied zugunsten des Arbeitgebers: Dieser müsse die Vergütung in der Zeit der behördlich angeordneten Betriebsschließung nicht zahlen.

Der Arbeitgeber, so das Bundesarbeitsgericht, trage nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn es – wie hier – zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen zu einem flächendeckenden Lockdown komme. In einem solchen Fall realisiere sich kein Betriebsrisiko, so das Bundesarbeitsgericht, vielmehr sei die fehlende Möglichkeit der Arbeitsleistung Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Es sei Sache des Staates, gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich der den Beschäftigten durch den hoheitlichen Eingriff entstehenden finanziellen Nachteile zu sorgen. Soweit ein solcher wie bei der Arbeitnehmerin als geringfügig Beschäftigter, die vom Kurzarbeitergeld ausgeschlossen ist, nicht gewährleistet sei, beruhe dies auf Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Hieraus lasse sich jedoch keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

„3G“ am Arbeitsplatz, § 28b IfSG n.F. – Arbeitgeber in der Pandemiebekämpfung

23. November 2021

Die bislang in § 28a Abs. 7 IfSG geregelte sog. „Epidemische Lage“ als Ermächtigungsgrundlage für Einschränkungen im Rahmen der Pandemiebekämpfung läuft zum 25.11.2021 aus. Dennoch steigt das Infektionsgeschehen. Daher hat der Bundestag mit Beschluss vom 18.11.2021 (BT-Drs. 20/15) den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ auf den Weg gebracht, dem bereits am 19.11.2021 einstimmig vom Bundesrat zugestimmt wurde (BR-Drs. 803/21).

Der darin enthaltene Maßnahmenkatalog tritt neben vereinzelten Regelungen am 24.11.2021 in Kraft und enthält behördliche Befugnisse zur Anordnung von Abstandsgeboten im öffentlichen Raum, Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht, Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie Personenoberbegrenzungen im öffentlichen wie auch im Freizeitbereich. Darüber hinaus aber auch die für Arbeitgeber wichtige Verpflichtung zur Einführung von „3G“ (geimpft, genesen, getestet) am Arbeitsplatz. Die grundsätzlich der unternehmerischen Freiheit unterliegende Arbeitsstätte soll also nur noch für Geimpfte, Genesene und Getestete zugänglich sein.

Ausgangspunkt der rechtlichen Regelungen ist ein neu geschaffener § 28b IfSG. Während nach dieser Vorschrift „3G“ verpflichtend für den Luft-, sowie öffentlichen Personennah- und Fernverkehr eingeführt wird (§ 28b Abs. 5 IfSG), gilt dies nach § 28b Abs. 1, 2 und 3 IfSG nunmehr auch für den Arbeitsplatz und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Pandemiebekämpfung. Arbeitgeber werden also wieder einmal in die Pflicht zur Pandemiebekämpfung genommen.

Physischer Kontakt zwischen Arbeitgeber, Beschäftigten oder zu Dritten am Arbeitsplatz, § 28b Abs. 1 IfSG

Die „3G“-Regel findet nach § 28b Abs. 1 IfSG immer dann Anwendung, wenn physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten bei Betreten der Arbeitsstätte oder beim Transport von mehreren Beschäftigten zur oder von der Arbeitsstätte nicht ausgeschlossen werden können. Die Vorschrift stellt also klar, dass schon das potenzielle Aufeinandertreffen von Arbeitgebern, Beschäftigten und Dritten im Betrieb ausreicht, um den Anwendungsbereich zu eröffnen. Ein tatsächliches Aufeinandertreffen ist nicht notwendig und selbst unter Einhaltung schärfster Hygienemaßnahmen dürfte ein völliger Ausschluss jeglichen Kontakts der Belegschaft in Betrieben, auf Fluren, in Gemeinschaftsräumen und Sanitäreinrichtungen lebensfremd sein. Im Falle eines Verstoßes obliegt dem Arbeitgeber insoweit die Beweislast.

Ist der physische Kontakt nicht ausgeschlossen, darf die Arbeitsstätte nur von geimpften, genesenen oder getesteten Personen betreten werden, die einen Impf-, Genesenen- oder Testnachweis:

  • mit sich führen,
  • zur Kontrolle verfügbar halten oder
  • bei dem Arbeitgeber hinterlegt haben.

Dabei darf im Falle eines PCR-Tests dieser maximal 48 Stunden zurückliegen. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber unmittelbar vor der Arbeitsaufnahme ein Testangebot unterbreitet oder die Wahrnehmung eines Impfangebotes ermöglicht. Hintergrund der Ausnahmetatbestände sind schlicht praktische Erwägungen und die Förderung der Impfquote, auch wenn es im Einzelfall zu Infektionen kommen könnte.

Über die betrieblichen Zugangsregelungen und die Verpflichtung zum Mitführen, Bereithalten oder Hinterlegen etwaiger Nachweise sind die Beschäftigten bei Bedarf in barrierefreier, zugänglicher Form zu unterrichten, was sich durch Aushang im Intranet oder bereits vorab per Rundtelefonat mit der Belegschaft anbietet. Nur so kann ein möglicher Betriebszugang bereits vorab ausgeschlossen werden, § 28b Abs. 1 IfSG.

Verschärfte Testpflicht in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen, § 28b Abs. 2 IfSG

Für medizinische Einrichtungen, wie etwa Krankenhäuser, Dialyse- und Pflegeeinrichtungen oder Arztpraxen (Auflistung in § 23 Abs. 3 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 2 und 7 IfSG), gilt darüber hinaus eine Testpflicht sowohl für den Arbeitgeber und die bei diesem Beschäftigten, aber auch für Besucher und Dritte, ganz unabhängig davon, ob sie geimpft oder genesen sind, § 28b Abs. 2 IfSG. Die Testung kann für Geimpfte und Genesene auch durch Eigenanwendung in Form von Antigen-Tests erfolgen, wobei der Test höchstens zweimal wöchentlich wiederholt werden muss.

Der Arbeitgeber ist des Weiteren dazu verpflichtet, ein einrichtungs- oder unternehmensbezogenes Testkonzept zu erstellen, im Rahmen dessen allen Beschäftigten und Besuchern Tests anzubieten sind. Die Möglichkeit Tests anzubieten wird bei medizinischen Einrichtungen folglich zur Pflicht und bezieht sich insbesondere auf Besucher, was sonst nicht der Fall ist.

Nachweispflicht für Arbeitgeber, Beschäftigte, Leiter medizinischer Einrichtungen und Besucher, § 28b Abs. 3 IfSG

Darüber hinaus obliegen Arbeitgeber und Leiter medizinischer Einrichtungen entsprechende Nachweiskontrollen. Sie sind verpflichtet, die Einhaltung der vorgenannten Verpflichtungen täglich zu überwachen und regelmäßig zu kontrollieren; sie müssen wie auch ihre Beschäftigten und Besucher, entsprechende Nachweise führen und auf Verlangen vorlegen, § 28b Abs. 3 S. 1, 2 IfSG. Zur Erhebung und Verarbeitung der damit verbundenen personenbezogenen Daten, auch zur Anpassung und Verbesserung eines vorhandenen Hygienekonzepts, sind sie nach § 28b Abs. 3 S. 3, 4 IfSG befugt.

Entsprechend können die zuständigen Behörden von jedem Arbeitgeber und den jeweiligen Leitungen der medizinischen Einrichtungen die zur Durchführung der Überwachungsaufgaben erforderlichen Auskünfte verlangen, § 28b Abs. 3 S. 6 IfSG. Für Arbeitgeber und Leiter, der in § 23 Abs. 3 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 2 und 7 IfSG genannten Einrichtungen gilt darüber hinaus, dass sie aktiv verpflichtet sind, der zuständigen Behörde zweiwöchentlich folgende Angaben in anonymisierter Form zu übermitteln:

  1. Angaben zu den durchgeführten Testungen, jeweils bezogen auf Personen, die in der Einrichtung oder dem Unternehmen beschäftigt sind oder behandelt, betreut oder gepflegt werden oder untergebracht sind, sowie bezogen auf Besuchspersonen und
  2. Angaben zum Anteil der Personen, die gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft sind, jeweils bezogen auf die Personen, die in der Einrichtung oder dem Unternehmen beschäftigt sind oder behandelt, betreut oder gepflegt werden oder untergebracht sind.

Die im Zuge dessen erhobenen Daten zu Impf- und Teststatus der betroffenen Personen sind spätestens am Ende des sechsten Monats ihrer Erhebung zu löschen.

Home-Office-Pflicht für Arbeitgeber und Beschäftigte, § 28b Abs. 4 IfSG

Die Verpflichtung zu täglichen Testungen der Beschäftigten entfällt mit der Einführung von Home-Office. Insoweit ist der Gesetzgeber mit der Einführung von § 28b Abs. 4 IfSG zur Home-Office-Pflicht zurückgekehrt. Die Norm ist inhaltsgleich mit der vom 23.04.2021 bis zum 30.06.2021 in § 28b Abs. 7 IfSG geltenden Vorgängerregelung und verpflichtet den Arbeitgeber zur Beschäftigung im Falle von Büroarbeit oder vergleichbarer Tätigkeit, diese in der Wohnung des Beschäftigten durchzuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen.

Wir hatten hier einst ausgiebig berichtet.

Die vorgenannten Regelungen gelten vorerst bis zum Ablauf des 19.03.2022.

Fazit: Erhebliche organisatorische und finanzielle Verpflichtungen für Arbeitgeber, Leiter und Beschäftigte

Auf Arbeitgeber, Beschäftigte und Leiter der in § 23 Abs. 3 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 2 und 7 IfSG genannten Einrichtungen kommen damit erhebliche organisatorische und finanzielle Verpflichtungen zu.

Für Beschäftigte und Besucher der genannten Betriebe gilt darüber hinaus, dass sie selbst dazu verpflichtet sind, sich entsprechende Test zu besorgen und vor Dienstantritt im Betrieb vorzulegen. Das Testen gehört nicht zur Arbeitszeit. Arbeitgeber sind lediglich verpflichtet, zwei Tests pro Woche zu stellen.

Legt der Beschäftigte keinen Test vor, kann er die Arbeitsstätte nicht betreten und seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Er riskiert damit seinen Lohnanspruch und muss nicht vergütet werden. Im Wiederholungsfalle kommen darüber hinaus sogar Abmahnung und verhaltensbedingte Kündigung in Betracht, wobei letztere erst nach ausführlichem Gespräch und Abwägung im Einzelfall erfolgen sollte.

 

RA Karl Neumann, LL.M. – Praxisgruppe Arbeitsrecht, ATN-Rechtsanwälte

ATN in der GmbHRundschau

26. Mai 2021

Unser Kollege Prof. Dr. Peter Neu hat gemeinsam mit RA Christian Senger von dhpg den Aufsatz „Auswirkung des SanInsFoG auf die Fortführungsprognose (Going-Concern-Prämisse) nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB?“ verfasst, veröffentlicht wurde der Artikel in der aktuellen Ausgabe der GmbHRundschau. Die Autoren erläutern hierbei mögliche Auswirkungen, die die verschiedenen gesetzgeberischen Änderungen im Rahmen der Corona-Pandemie auf die Going-Concern-Prämisse haben könnten.

Den vollständigen Aufsatz finden Sie hier:

Aufsatz GmbHRundschau 10/2021

Aktuelle Sonderregelungen des COVInsAG

19. April 2021

Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie muss das Sanierungs- und Insolvenzrecht seine Dynamik beweisen und sich den aktuellen Gegebenheiten bestmöglich anpassen. Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie abzufedern trat unter anderem das COVInsAG im März letzten Jahres in Kraft und wird seitdem regelmäßig erneuert.

Eine Erläuterung der Regelungen finden Sie hier.

Kurzarbeit und Quarantäne – Wer zahlt was?

30. März 2021

Das Infektionsschutzgesetz und die Entschädigung für den Verdienstausfall

Der Fall kommt – leider – immer häufiger vor. Gegenüber einer Arbeitnehmerin wird Quarantäne behördlich angeordnet. Die Arbeitnehmerin kann ihre Arbeitskraft nicht mehr anbieten, der Arbeitgeber wird von der Gegenleistung, nämlich der Verpflichtung, die Vergütung zu bezahlen, frei.

Die Arbeitnehmerin kann aber nach § 56 Abs.1 IfSG eine Entschädigung für den Verdienstausfall beanspruchen. In NRW sind – je nach Betriebsstätte – die Landschaftsverbände Rheinland (LVR) oder Westfalen-Lippe hierfür zuständig.

Die Auszahlung erfolgt, längstens für einen Zeitraum von sechs Wochen, durch den Arbeitgeber. Dieser kann sich dann die Entschädigung beim Landschaftsverband wiederholen (§ 56 Abs. 5 IfSG). Soweit, so gut.

Kurzarbeitergeld oder Entschädigung nach IfSG?

Was aber, wenn in dem Betrieb, indem die Arbeitnehmerin arbeitet, Kurzarbeit eingeführt worden ist? Geht der Arbeitgeber in diesem Falle mit Kurzarbeitergeld oder mit der Entschädigung nach IfSG in Vorleistung?

Die Antwort ergibt sich direkt (und indirekt) aus § 56 Abs. 9 IfSG. Sofern dem Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld für den gleichen Zeitraum zu gewähren ist, in dem auch ein Entschädigungsanspruch bestünde, geht der Entschädigungsanspruch auf die Bundesagentur für Arbeit über. Das heißt, dass zwei Fälle zu unterscheiden sind:

1. Erst Kurzarbeit, dann Quarantäne

Hat die Arbeitnehmerin bereits Kurzarbeit geleistet, bevor Quarantäne angeordnet worden ist, bekommt sie auch weiterhin Kurzarbeitergeld. Im Rahmen des Erstattungsantrages muss der Arbeitgeber kenntlich machen, dass (und für welche Zeiträume) die Arbeitnehmerin in Quarantäne war. Für diesen Zeitraum geht der Erstattungsanspruch auf die Bundesagentur für Arbeit über.

2. Erst Quarantäne, dann Kurzarbeit

Anders ist es, wenn die Quarantäne angeordnet wird, bevor die Arbeitnehmerin begonnen hat, Kurzarbeit zu leisten. Die Arbeitnehmerin hat dann bereits einen Entschädigungsanspruch nach IfSG. Das führt gleichzeitig dazu, dass sie keinen Entgeltausfall mehr hat – somit auch bei Eintritt des Arbeitsausfalls keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

Welche Folgen hat das für den Arbeitgeber?

Für den Arbeitgeber hat dies – auch wenn er in beiden Fällen grundsätzlich „vorschusspflichtig“ ist – deutliche Auswirkungen. Im ersten Fall muss er (nur) das Kurzarbeitergeld nebst etwaiger Aufstockung leisten. Im zweiten Falle (nach IfSG) zahlt er den gesamten Verdienstausfall. Daneben sollte er für seinen Ersatzanspruch natürlich auch noch möglichst die richtige Behörde in Anspruch nehmen. Im ersten Falle die Bundesagentur für Arbeit, im zweiten Falle den LVR.

Der Teufel liegt im Detail.

SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021 (Corona-ArbSchV) – Neue Pflichten für Arbeitgeber in der Pandemie

26. Januar 2021

Trotz anhaltendem „Lockdowns“ sowie erster, sinkender Infektionszahlen ist eine Entspannung der Corona-Pandemie nicht in Sicht. Die erstmals in Großbritannien nachgewiesene Mutation des Virus trübt die Hoffnung auf ein baldiges Ende. Die zur Kontaktreduzierung in vielen Lebensbereichen bereits vorhandenen Maßnahmen reichen nicht aus, das Infektionsgeschehen wirksam und nachhaltig einzudämmen. Es bedarf daher weitergehender Maßnahmen am Arbeitsplatz, um die Pandemie wirksam in den Griff zu bekommen.

In diesem Zusammenhang hat das Bundeskabinett den bereits bestehenden SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard vom 16.04.2020 und die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel vom 20.08.2020 ergänzt und am 20.01.2021 die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) beschlossen. Die Verordnung wurde am 22.01.2021 im Bundesanzeiger (BAnz AT 22.01.2021 V1) veröffentlicht und erweitert die bisherigen Regelungen. Sie tritt am 27.01.2021 in Kraft.

Bereits jetzt galt nach den bisherigen Arbeitsschutzregelungen, dass die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m zu anderen Personen und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Betrieb, wo immer dies möglich ist, einzuhalten ist. Davon umfasst sind Kantinen und Pausenräume. In Sanitärräumen ist der Arbeitgeber verpflichtet Flüssigseife und Handtuchspender zur Verfügung zu stellen und die vorgenannten Räumlichkeiten ausreichend und regelmäßig zu lüften.

Die neueren Regelungen der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 21.01.2021 sehen weitreichendere Verpflichtungen vor, die behördlich kontrollierbar und vorerst bis zum 15.03.2021 befristet sind. Die dortigen Vorschriften sind in Teilen konkret und nachvollziehbar ausgestaltet und geben dem Arbeitgeber überwiegend ein Regelungswerk an die Hand, an dem er sich zumindest orientieren kann. Im Wesentlichen beschränkt sich die Verordnung dabei auf die Teilbereiche Kontaktreduktion im Betrieb (§ 2 Corona-ArbSchV), auch unter Einführung von Home-Office (§ 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV) und das Bereitstellen und Tragen von Mund-Nasen-Schutz (§ 3 Corona-ArbSchV).

• Reduzierung betriebsbedingter Zusammenkünfte mehrerer Personen auf das betriebsnotwendige Minimum

Wichtigstes Merkmal der Verordnung ist die Reduzierung „betriebsbedingter Zusammenkünfte mehrerer Personen auf das betriebsnotwendige Minimum“ insbesondere durch Einsatz von Informationstechnologie. Lediglich wenn dies nicht möglich sein sollte, ist der Schutz der Mitarbeiter durch geeignete Abtrennungen und Lüftungsmaßnahmen zur Aerosolreduzierung zu gewährleisten, was im Einzelfall zu größeren Herausforderungen führen kann (§ 2 Abs. 2 und 3 Corona-ArbSchV).

Gleiches gilt in Räumen, deren Mindestfläche nicht ausreicht, um jeder dort arbeitenden Person eine Fläche von 10 Quadratmetern zur Verfügung zu stellen. Diese Personen sind durch regelmäßiges Lüften und Abtrennungen zwischen den Anwesenden zu schützen (§ 2 Abs. 5 Corona-ArbSchV).

Dabei sollen in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten möglichst kleine Arbeitsgruppen gebildet und Betriebsabläufe zur Kontaktreduzierung angepasst werden, was insbesondere durch zeitversetztes Arbeiten ermöglicht wird, soweit die betrieblichen Gegebenheiten dies zulassen. Hierdurch werden nach Wunsch des Gesetzgebers nicht nur Kontakte innerhalb des Betriebes eingeschränkt, sondern auch die Belastung des öffentlichen Nah- und Pendelverkehrs zum Betrieb gemindert, was u.a. als wichtigster Ansatzpunkt in der Pandemiebekämpfung gilt.

• Home-Office-Angebot des Arbeitgebers

Diesem Ziel folgend hat der Gesetzgeber nunmehr in § 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV eine Verpflichtung des Arbeitgebers eingeführt, im Falle von Büroarbeit oder vergleichbarer Tätigkeit „Home-Office“ anzubieten. Dies setzt voraus, dass keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Der Gesetzgeber ist sich bewusst, dass eine einseitige Anordnung von Heimarbeit durch den Arbeitgeber auf Grund des arbeitsvertraglichen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht möglich ist. Eine gesetzliche, verpflichtende Einführung von Home-Office scheidet nach gegenwärtiger Rechtslage damit ebenso aus. Etwaigen Diskussionen, die dem Arbeitgeber diese Möglichkeit im Rahmen seines Direktionsrechts bei pandemischer Lage im Wege des billigen Ermessens nach § 106 GewO zugebilligt haben, sind damit der Boden entzogen.

Die Einführung von Home-Office ist nur noch auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder in Abstimmung mit dem Betriebsrat auf Basis einer Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 4 BetrVG möglich. Die Unterrichtung des Betriebsrats ist bei Einführung von Home-Office sogar verpflichtend, § 90 BetrVG. Für die Umsetzung ist es zwingend erforderlich, dass die räumlichen und technischen Voraussetzungen in der Wohnung des Arbeitnehmers gegeben sind, was insbesondere durch arbeitsvertragliche Zusatzvereinbarung sicherzustellen ist. Ausweislich der amtlichen Gesetzesbegründung (Bearbeitungsstand 20.01.2021, 15:34 Uhr) sind die Anforderungen an den Heimarbeitsplatz jedoch begrenzt. Es besteht insbesondere keine Vorgabe den „Telearbeitsplatz“ am Maßstab des § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung auszurichten, was eine Einrichtung und Kontrolle des Arbeitgebers vorausgesetzt hätte. In der Praxis bietet es sich daher an, eine entsprechende Klausel zu vereinbaren mit der der Arbeitnehmer darauf hinweist, dass die Anforderungen bei ihm erfüllt sind.

Nur wenn der Telearbeit zwingende betriebliche Gründe entgegenstehen, kann die Einführung vom Home-Office durch den Arbeitgeber abgelehnt werden. Die Behörde kann in diesem Fall die Darlegung der Gründe verlangen und die betroffene Arbeit sogar untersagen, wenn der Arbeitgeber der Anordnung nicht nachgekommen ist, § 22 Abs. 3 ArbSchG. Was betriebliche Gründe sind, sagt das Gesetz nicht und wird im Einzelfall notfalls unter Zuhilfenahme der Gerichte zu entscheiden sein.

• Bereitstellen von Mund-Nasen-Schutz

Zuletzt verpflichtet die Verordnung den Arbeitgeber zur Bereitstellung von Mund-Nasen-Bedeckungen, die über den bisherigen Standard von sog. Alltagsmasken, DIY-Masken, Behelfsmasken oder auch Community-Masken hinausgehen. Da die Schutzwirkung der vorgenannten Masken vom Design, dem Material, der Dichte und der Anzahl der Gewebelagen abhängig ist und keiner gesetzlichen Vorgabe oder Standard entspricht, sieht der Gesetzgeber den bisherigen Schutz nicht als ausreichend an und verlangt das Tragen von medizinischen Gesichtsmasken, FFP-2-Masken oder vergleichbaren Masken entsprechend der, der Verordnung beigefügten Anlage. Nur diese genormten Masken erachtet der Gesetzgeber, bedingt durch die Qualität des verwendeten Filtermaterials und ihre ergonomische, eng anliegende Gestaltung, für ausreichend. Nur mit diesen Masken soll der notwendige Fremdschutz gewährleistet sein.

Das Tragen der Masken gilt nach § 3 Abs. 1 Corona-ArbSchV immer dann, wenn die Anforderungen an die Raumbelegung nach § 2 der Verordnung (s. o.) oder der Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann sowie bei Tätigkeiten bei denen mit Gefährdung durch erhöhten Aerosolausstoß zu rechnen ist, was u.a. bei erhöhtem und lautem Sprechaufkommen der Fall sein soll.

Der Arbeitnehmer ist im Gegenzug verpflichtet die bereitgestellten Masken zu tragen.

Abweichungen sollen nach § 3 Abs. 3 Corona-ArbSchV nur dann möglich sein, wenn der Arbeitgeber ebenso wirksame Maßnahmen trifft, was in der Praxis schwer vorstellbar erscheint und ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich nur aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in die Verordnung aufgenommen worden ist.

Als Anlage enthält die Corona-ArbSchV eine Auflistung von einsetzbaren Atemschutzmasken, die der Gesetzgeber für „vergleichbar“ zu den medizinischen und den FFP-2-Masken gem. § 3 Abs. 1 ArbSchV hält und die dem Arbeitgeber eine Liste an Masken an die Hand gibt, die er ohne weitere Prüfung verwenden kann. Da es sich um medizinische Produkte handelt, ist der Arbeitnehmer bezüglich An- und Ablegens der Masken durch eine fachkundige Person zu unterweisen und die Masken nach Durchfeuchtung zu wechseln und zu entsorgen, da es sich hierbei überwiegend um Einmalprodukte handelt. Die Sicherstellung der richtigen Handhabung durch den Arbeitgeber wird jedoch nur ausweislich der Gesetzesbegründung vorgeschrieben und ist in der Verordnung so nicht ausdrücklich normiert. Ob dem Arbeitgeber in diesem Zusammenhang sanktionell verfolgbare Pflichten auferlegt werden, bleibt abzuwarten.

Weitergehende Pflichten enthält die Verordnung nicht.

In jedem Fall erweitert die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, die zur Eindämmung der Pandemie bereits getroffenen einschneidenden Maßnahmen im privaten und öffentlichen Bereich auf das betriebliche Umfeld und gibt dem Arbeitgeber zumindest Anhaltspunkte, wie er den Betrieb „Corona-konform“ ausrichten kann. Zur Ausgestaltung und Umsetzung etwaiger arbeitsvertraglicher Home-Office-Vereinbarungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie etwaiger Betriebsvereinbarungen von Arbeitgeber und Betriebsrat, sagt die Verordnung allerdings nichts, was insoweit der Rechtsanwendung verbleibt.

Eine Veröffentlichung der SARS-CoV2-Arbeitsschutzverordnung finden Sie unter folgendem Link:

https://www.bundesanzeiger.de/pub/en/amtliche-veroeffentlichung?7

Gern helfen wir bei der entsprechenden Umgestaltung.

RA Karl Neumann, LL.M.

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