Zum sofortigen Anerkenntnis bei gleichzeitigem Pflichtteilsstundungsantrag
3. November 2023Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied mit Beschluss vom 05.07.2023, I-7 W 46/23, soweit ersichtlich als erstes OLG überhaupt, dass ein sofortiges Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO nicht in Betracht kommt, wenn der Erbe den eingeklagten Pflichtteilsanspruch zwar sofort anerkennt, jedoch zugleich Stundung beantragt, § 2331a BGB. Ein wirksames Anerkenntnis, mit dem der geltend gemachte Anspruch dem Grunde und der Höhe nach zugestanden wird, muss (so das OLG Düsseldorf) gegenüber Gericht und Prozessgegner unmissverständlich, unbedingt und in der Regel vorbehaltlos abgegeben werden.
Wir hatten für unsere Mandantin einen unstreitigen Mindestbetrag auf ihren Pflichtteil eingeklagt, da der Alleinerbe diesen außergerichtlich nicht zahlte. Der Alleinerbe verwies u. a. darauf, dass der Nachlass im Wesentlichen aus einer Immobilie mit 3 Wohnungen bestehe, die zunächst verkauft werden müsse. Dies könne mehrere Monate dauern. Zudem müsse er als Alleinerbe zunächst als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen werden. Unsere pflichtteilsberechtigte Mandantin als einzige Tochter der Erblasserin möge sich daher in Geduld üben.
Da die Zahlungsfrist fruchtlos verstrich, reichten wir Klage beim Landgericht Wuppertal auf Zahlung eines unstreitigen Teilbetrages in Höhe von € 200.000,00 ein. Der Alleinerbe erkannte diesen Betrag unter Protest gegen die Kostenlast an und beantragte zugleich die Stundung des Betrags, da der Nachlass nicht liquide sei und die Immobilie erst verkauft werden müsse, die er als vormaliger Mieter und jetziger Eigentümer selbst bewohne. Dieser Pflichtteilsstundungsantrag war grds. möglich, denn dessen sachlicher Anwendungsbereich wurde im Rahmen der Erbrechtsreform 2010 vergrößert. Somit bestehen bei illiquiden Nachlässen bessere rechtliche Möglichkeiten seitens der Erben, für die Zahlung auf den Pflichtteil Zeit zu gewinnen. Gleichwohl wird bis heute in der anwaltlichen Praxis zurückhaltend über die Stundungsmöglichkeit beraten und noch weniger von ihr Gebrauch gemacht. Dies verwundert, da bereits die bloße Ankündigung eines Stundungsantrags den Druck zum Abschluss eines (außergerichtlichen) Vergleichs wegen des Pflichtteilsanspruchs als sofort fälligen Geldanspruch erhöht („denn schnelles Geld ist gutes Geld“).
Im vorgenannten Klageverfahren erließ das Landgericht ein Anerkenntnisurteil über € 200.000,00 und entschied, dass die Kosten des Rechtsstreits unsere Mandantin als Klägerin tragen müsse. Zur Begründung führte das Landgericht u. a. aus:
„(…) Dem Beklagten musste ein angemessener Zeitraum zur Ermittlung (des Werts) des Nachlasses zugestanden werden, bevor von ihm die Zahlung des Pflichtteils (nicht bloß die Auskunft über den Nachlass) verlangt werden konnte. (…) Dies gilt insbesondere für einen Zahlungsanspruch, den der Beklagte nicht ohne weiteres – wie dargelegt – aus dem eigenen Vermögen bestreiten kann. Der Beklagte hat demgegenüber seine Bestrebungen zum Verkauf der Immobilie aufgezeigt. (…)“
Das Landgericht warf der Klägerin sogar vor, einen „Klageüberfall“ begangen zu haben; wobei es sich hierbei weniger um einen juristischen Fachausdruck handeln dürfte.
Diese (Rechts-) Ausführungen konnten wir nicht nachvollziehen, denn das LG schränkte den eindeutigen Anwendungsbereich des § 2317 Abs. 1 BGB („Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht mit dem Erbfall.“) stark ein. Daher legten wir gegen die Kostenentscheidung Beschwerde beim OLG ein.
Das OLG Düsseldorf schob der Einschränkung des Pflichtteils einen Riegel vor. Der Senat hob im Gegenteil die Verschleppungsabsicht des Erben hervor und betonte das Titulierungsinteresse unserer pflichtteilsberechtigten Mandantin. Dieser müsse z. B. die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek ermöglicht werden (die auch nach Erlass des Teilanerkenntnisurteils sofort veranlasst wurde). Das OLG stellte klar, dass ein wirksames Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO unbedingt und vorbehaltlos erfolgen muss. Daher musste der beklagte Alleinerbe sämtliche Gerichts- und Anwaltskosten tragen (insgesamt rd. € 21.000,00).
Diese begrüßenswerte obergerichtliche Rechtsprechung dürfte auch auf entsprechende Fälle zur Stundung des Zugewinnausgleichsanspruches nach § 1382 BGB Anwendung finden.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Die (Pflichtteils-) Stundung sollte in der anwaltlichen Beratung einen höheren Stellenwert einnehmen; im Prozess aber sollte man sich davor hüten, ein sofortiges (Teil-) Anerkenntnis zu erklären und zugleich eine Stundung zu beantragen.
Die vollständigen Entscheidungsgründe des OLG Düsseldorf nebst meinen ausführlichen Anmerkungen wurden in der Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis veröffentlicht (ErbR 2023, 879).
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