Neuregelungen in der Kryptowährungsverwahrung – Kosten der Aussonderung bei Insolvenz

31. Januar 2024

Einführung in die Problematik und gesetzliche Neuregelungen

Der digitale Wandel im Finanzsektor bringt ständige Neuerungen mit sich, darunter auch im Bereich der Kryptowährungen. Ein kritischer Aspekt ist die Insolvenz von Kryptoverwahrern. In solchen Fällen fordern Kunden oft massenhaft ihre verwahrten Kryptowerte zurück, was die Frage nach der Kostentragung für die Aussonderung aufwirft. Neue gesetzliche Regelungen, speziell § 46i Abs. 3 KWG und § 44 Abs. 3 KMAG im Kontext des Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG) und des Finanzmarktdigitalisierungsgesetzes (FinmadiG), adressieren diese Herausforderung.

Insolvenz von Kryptoverwahrern: Ein realistisches Szenario
Die Insolvenz von Kryptoverwahrern ist kein unwahrscheinliches Ereignis. Der Fall von FTX hat gezeigt, wie Millionen von Kunden betroffen sein können. In Deutschland, wo die Kryptoverwahrung eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung ist, steigt die Anzahl der Kryptoverwahrer stetig, wodurch das Risiko von Insolvenzen zunimmt.

Die neuen Regelungen im Detail

  • Aussonderung von Kryptowerten: Kryptowerte, die auf Blockchain-Technologie basieren, stellen besondere Herausforderungen dar, besonders wenn es um die Aussonderung im Insolvenzfall geht. Das deutsche Recht sieht vor, dass Kunden ihre Werte aussondern können, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
  • Kostentragung nach § 46i Abs. 3 KWG: Ein Kernpunkt der Neuregelungen ist die Kostentragung. Wenn Kunden der Übertragung ihrer Werte auf ein anderes Institut nicht zustimmen, müssen sie die Kosten der Aussonderung tragen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Bedingungen unzumutbar sind.
  • Änderungen durch das FinmadiG: Das FinmadiG ergänzt das ZuFinG und führt das Kryptomärkteaufsichtsgesetz (KMAG) ein, wobei die Grundstruktur der Kostenregelung beibehalten wird.

Kritik und mögliche Verbesserungen

  • Komplexität und Streitanfälligkeit: Die Regelungen sind komplex und könnten zu Rechtsstreitigkeiten führen, besonders bei unklaren Definitionen wie „unzumutbar“ oder „wesentliche Teile“.
  • Kostenbelastung für die Insolvenzmasse: Die Übernahme der Kosten durch die Insolvenzmasse könnte zu deren Unzulänglichkeit führen, da die Durchführung von tausenden Transaktionen erhebliche Kosten verursacht.
  • Vorschläge zur Vereinfachung: Eine mögliche Lösung könnte sein, die Kosten generell den Kunden aufzuerlegen, um die Last für ungesicherte Gläubiger zu vermeiden. Dies könnte zur Rechtssicherheit beitragen und die Verfahren vereinfachen.

Zusammenfassung und Fazit

Die Neuregelungen im ZuFinG und FinmadiG zur Aussonderung von Kryptowerten bei Insolvenz von Kryptoverwahrern sind ein wichtiger Schritt zur Anpassung des Rechtsrahmens an die digitalisierten Finanzmärkte. Allerdings sind sie auch mit Herausforderungen verbunden, vor allem in Bezug auf die Kostentragung und die Komplexität der Regelungen. Eine Vereinfachung und Klarstellung, insbesondere in Bezug auf die Kostenübernahme durch die Kunden, könnte dabei helfen, die Effizienz zu steigern und Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.

Weiteres ist nachzulesen in dem jüngsten Beitrag von Dr. Marc d´Avoine und Phil Hamacher in der ZRI 2024, 49 „Kryptoassets und Kosten der Aussonderung, § 46i Abs. 3 KWG und § 44 Abs. 3 KMAG“

 

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Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschafts­rechts (MoPeG) seit 01.01.2024 in Kraft

30. Januar 2024

Seit dem 1. Januar 2024 ist das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) in Kraft getreten, das das Personengesellschaftsrecht reformiert. Das MoPeG passt das teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der offenen Handelsgesellschaft (oHG), der Kommanditgesellschaften (KG, einschließlich GmbH & Co. KG) und der Partnerschaftsgesellschaften (PartG), an die Erfordernisse des modernen Wirtschaftslebens an.

Neugestaltung des GbR-Rechts

Ein zentraler Aspekt des MoPeG ist die umfassende Neuregelung des GbR-Rechts. Insbesondere erfährt die rechtsfähige GbR als Grundform aller Personengesellschaften eine umfassende Reform im BGB. Die Neuerungen berücksichtigen dabei bereits höchstrichterlich anerkannte Prinzipien für die Ausgestaltung der GbR.

GbRs können in vielfältigen Formen auftreten und grundsätzlich jeden legalen Gesellschaftszweck verfolgen, der nicht auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist. Nunmehr nimmt das BGB eine klare Unterscheidung zwischen rechtsfähiger und nicht-rechtsfähiger GbR vor (§ 705 Abs. 2 BGB n.F.). Die rechtsfähige GbR nimmt am Rechtsverkehr teil, kann Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. Soweit die Gesellschaft unter einem gemeinschaftlichen Namen ein Unternehmen betreibt, gilt sie als rechtsfähig. Eine Eintragung im neu geschaffenen Gesellschaftsregister ist für die Anerkennung der Rechtsfähigkeit nicht erforderlich. Rechtsfähige GbRs sind danach beispielsweise Arztpraxen, Anwaltssozietäten oder Ingenieurbüros.

Die nicht rechtsfähige GbR ist eine reine Innengesellschaft, dh sie betrifft nur das Verhältnis der Gesellschafter zueinander. Hierzu zählen typischerweise treuhänderische und stille Beteiligungen, aber z.B. auch Tippgemeinschaften.

Gründung und weitgehende Gestaltungsfreiheit

Die Errichtung einer GbR erfolgt durch Vereinbarung eines Gesellschaftsvertrags. Die gesetzlichen Regelungen sind gem. § 708 BGB n.F. weitgehend dispositiv, dh die Gesellschafter können den Gesellschaftsvertrag abweichend von den gesetzlichen Regelungen gestalten. So obliegt z.B. die Geschäftsführung der Gesellschaft weiterhin den Gesellschaftern, die nach § 715 BGB n.F. zur gemeinschaftlichen Geschäftsführung der Gesellschaft befugt sind. Der Gesellschaftsvertrag kann aber einzelnen Gesellschaftern die alleinige Geschäftsführungsbefugnis zuweisen. Zwingend sind aber die Vorschriften zur persönlichen Haftung und zur Vertretungsbefugnis der Gesellschafter gegenüber Dritten (§§ 720 und 721 BGB n.F.), das Klagerecht der Gesellschafter (§ 715b Abs. 2 BGB n.F.) sowie Informationspflichten geschäftsführungsbefugter Gesellschafter (§ 717 BGB n.F.).

Anwachsung und Abfindung

Nach § 712 BGB n.F. wächst der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den übrigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Anteile zu. Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus, sieht der neu eingeführte § 712a BGB n.F. vor, dass die Gesellschaft ohne Liquidation erlischt. Das Gesellschaftsvermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über, sofern dieser zur Übernahme bereit ist. Ausgeschiedene Gesellschafter haben nach § 728 BGB n.F: Anspruch auf eine angemessene Abfindung und werden von der Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft befreit. Die sog. Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters ist nunmehr in § 728b BGB n.F. geregelt.

Übertragung der Gesellschaftsanteile und actio pro socio

Die Übertragung von GbR-Gesellschaftsanteilen ist nach § 711 BGB n.F. von der Zustimmung der Mitgesellschafter abhängig. Zusätzlich wurde die Rechtsfigur der „actio pro socio“ (sog. Gesellschafterklage) in § 715b BGB n.F. gesetzlich verankert. Damit ist der bislang bestehende Streit, ob eine gesetzliche Prozessstandschaft vorliegt, positiv entschieden. Jeder Gesellschafter hat danach das Recht, Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Mitgesellschafter im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, sofern der geschäftsführende Gesellschafter die Geltendmachung pflichtwidrig unterlässt. Wusste ein gesellschaftsfremder Dritter um das pflichtwidrige Unterlassen der Durchsetzung von Ansprüchen gegen ihn oder wirkte er gar daran mit, kann jeder Gesellschafter auch im eigenen Namen Ansprüchen der Gesellschaft gegen diesen Dritten durchsetzen.

Gesellschaftsregister für die GbR

Rechtsfähige GbRs können sich nunmehr gem. § 707 BGB n.F. in ein öffentliches Gesellschaftsregister eintragen lassen. Die Anmeldung erfolgt über Notare und ist grundsätzlich freiwillig. Die Anmeldung muss Informationen wie den Namen, Sitz und die Anschrift der Gesellschaft, Angaben zu den Gesellschaftern und deren Vertretungsbefugnissen sowie eine Versicherung darüber enthalten, dass die Gesellschaft nicht bereits im Handels- oder Partnerschaftsregister eingetragen ist. Nach Eintragung im Register muss die GbR nach § 707a Abs. 1 BGB n.F. den Namenszusatz „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ führen. Eine Eintragung ist besonders für GbRs sinnvoll, wenn sie selbst Gesellschafterin einer Gesellschaft ist oder zukünftig an Umwandlungen wie etwa Verschmelzungen, Spaltungen oder Formwechseln teilnehmen will. Ferner schafft man durch die Eintragung Transparenz gegenüber bestehenden und potenziellen Geschäftspartnern.

 

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CO2-Aufschlag für Lkw-Maut: Klimaschutz versus Krise von Transport und Logistik

9. Dezember 2023

CO2-Aufschlag ab 01.12.2023 für Lkw-Maut belastet die Logistikbranche

Klimaschutz versus Krise von Transport und Logistik

Die Reform der Lkw-Maut im Bundesfernstraßengesetz mit Koppelung der Maut an den CO2-Ausstoß ist ein Schritt Richtung Klimaschutz. Die Bundesregierung will damit den Umstieg auf klimaneutrale Antriebe beschleunigen. Die Reform führt aber auch zu Belastungen und Krisenmomenten für die Logistikbranche. Und die hat ohnehin zahlreiche Probleme. Die Branche leidet unter Fahrermangel und unbesetzten Stellen in anderen Firmenbereichen. Ferner klagt sie über fehlende Azubis und auch über Mängel in der Infrastruktur. Jetzt kommt noch die neue Maut mit CO2-Zuschlag.

Richtig ist, dass Nutzfahrzeuge etwa ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen im Verkehrssektor verursachen. Richtig ist aber auch, dass die Regelungen im Bundesfernstraßenmautgesetz mit div. Änderungen erhebliche Belastungen für die Unternehmen im Transport und Logistikwesen verursachen.

1. Neuregelungen um Bundesfernstraßenmautgesetz:

Quelle:
Für mehr Klimaschutz im Güterverkehr | Bundesregierung

Einführung eines CO2-Aufschlags: Zum 1. Dezember 2023 wird für die Kosten verkehrsbedingter CO2-Emissionen eine neue Mautkomponente („Mautteilsatz“) eingeführt. Diese besteht aus einem CO2-Aufschlag in Höhe von 200 Euro pro Tonne CO2. Damit setzen sich die Mautsätze künftig aus vier Kostenteilen zusammen: Kosten der Infrastruktur, der Luftverschmutzung, der Lärmbelastung und des CO2-Ausstoßes.

Zweckbindung der Mauteinnahmen: Die Verwendung der Mauteinnahmen wird neu geregelt. Die Mauteinnahmen sind zweckgebunden für die Verbesserung der Bundesfernstraßen-Infrastruktur sowie für Maßnahmen im Mobilitätsbereich zu verwenden – mit Schwerpunkt auf den Bundesschienenwegen.

Mautpflicht für Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen: Zum 1. Juli 2024 wird die Mautpflicht auf Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen tzGm (technische zulässige Gesamtmasse) ausgedehnt. Handwerkerfahrzeuge unter 7,5 Tonnen tzGm sind von der Mautpflicht befreit.

Emissionsfreie Fahrzeuge: Bis zum 31. Dezember 2025 sind emissionsfreie Fahrzeuge von der Mautpflicht befreit. Ab dem 1. Januar 2026 zahlen sie einen um 75 Prozent reduzierten Mautteilsatz für die Kosten der Infrastruktur – zuzüglich der Mautteilsätze für Luftverschmutzung und Lärmbelastung.

Die kalkulierten Mehreinnahmen sind gewaltig. Das zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr rechnet durch die CO2-Differenzierung im Bereich der Lkw ab 7,5 Tonnen mit Mehreinnahmen von 26,6 Milliarden Euro von 2024 bis 2027. Die Mehreinnahmen durch die Mautausdehnung auf Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen sollen sich von 2024 bis 2027 auf 3,9 Milliarden Euro belaufen. Davon entfallen 1,8 Milliarden Euro auf die CO2-Differenzierung. Nicht berechnet werden hingegen die Belastungen für die Unternehmer. Div. Transporteure und Logistiker meinen, „LKW finanzieren die Schiene“, so der Bundesverband Spedition und Logistik DSLV.

Null-Emissions-Logistik: CO2-Aufschlag führt zur Verdoppelung der LKW-Maut | trans.info

2. Höhere Maut löst höhere Logistikkosten aus

Die Neuregelungen im Bundesfernstraßenmautgesetz belastet Unternehmen im Transport- und Logistikwesen. Nach Berechnungen der IHK Gera kommen auf die Wirtschaft damit zusätzliche Kosten von jährlich 7,62 Mrd. Euro zu.

Unbestritten muss die höhere Maut zu einem erheblichen Anstieg der Frachtraten im Straßengüterverkehr führen, der am Markt in den Lieferketten auf Industrie, Handel und am Ende auf die Verbraucher überwälzt wird, so der Verband. Aber nicht alle Unternehmen werden automatisch neue Preise durchsetzen können. Insofern wird die neue Maut Erträge mindern und u.U bereits enge Liquidität der Unternehmen angreifen. Dann ist der Weg zu einer Krise des Unternehmens nicht mehr weit.

https://trans.info/de/co2-aufschlag-doppelte-lkw-maut-333975

3. Werkzeuge für LKW / Sanierungswerkzeuge für die Transportbranche

LKW können repariert werden. Kränkelnde Unternehmen können saniert werden. Und dafür gibt es zahlreiche Werkzeuge:

Nach dem „Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) aus 2013 war das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFOG) zum 01.01.2021 die nächste „große Sanierungsreform“. Das SanInsFOG beinhaltet neben dem „Unternehmensstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetz“ (StaRUG) weitreichende gesetzliche Anpassungen im Bereich der InsO und des COVInsAG. Die Restrukturierungsmaßnahmen nach dem dt. „Schutzschirm“ gemäß § 270d InsO und der präventive Restrukturierungsrahmen nach StaRUG sind inzwischen im offensiven Wettbewerb mit dem englischen „Scheme-of-Arrangement“ und dem niederländischen „Wet Homologatie Onderhands Akkoord“ (WHOA).

4. Erfahrungen mit dem präventiven Restrukturierungsrahmen seit 01.01.2021

Der präventive Restrukturierungsrahmen ist das Kernstück des StaRUG und wird inzwischen mehr und mehr angewandt, nicht nur im „Leoni-Verfahren“. Es handelt sich um ein (vorinsolvenzliches) gerichtsarm ausgestaltetes Sanierungsinstrument. Strukturell siedelt sich der Restrukturierungsrahmen zwischen dem Insolvenzplanverfahren, welches ebenso einer Mehrheitsentscheidung der Gläubiger bedarf, und der außergerichtlichen Sanierung, die nur im Konsens aller Gläubiger erfolgen kann, an.

Der Restrukturierungsrahmen steht allen Unternehmen offen, die „nur“ drohend zahlungsunfähig i.S.v. § 18 InsO sind. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Das SanInsFOG bestimmt den Prognosezeitraum auf regelmäßig 24 Monate.

Das Restrukturierungsvorhaben wird maßgeblich durch den Restrukturierungsplan (§§ 4 ff. StaRUG) geprägt, wobei die Planinitiative vom Schuldner ausgehen muss. Dieser hat das Restrukturierungsvorhaben gem. § 17 Abs. 1 StaRUG nach Maßgabe des vorgelegten Plans durch eigenständige Verhandlungen mit seinen Gläubigern voranzutreiben. Etwaige Vollstreckungs- bzw. Verwertungssperren bedürfen jedoch einer gerichtlichen Anordnung. Zudem kann beim zuständigen Restrukturierungsgericht ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden, dem jedoch, anders als im Insolvenzverfahren, nur eine moderierende Aufgabe zukommt. Das Planangebot des Schuldners steht gem. § 18 StaRUG unter der Bedingung, „dass sämtliche Planbetroffene zustimmen oder der Plan gerichtlich bestätigt wird“. Um zu verhindern, dass ein Restrukturierungsvorhaben an dem Widerstand einzelner, z.T. geringfügig tangierter, Gläubiger scheitert, werden die Planbetroffenen entsprechend ihres rechtlichen Status und dem Umfang ihrer Gläubigerstellung in Gruppen eingeordnet, die dann repräsentativ an der Abstimmung über das Planangebot des Schuldners teilnehmen. Innerhalb der einzelnen Gruppen genügt gem. § 25 Abs. 1 StaRUG zur Planzustimmung eine qualifizierte Gläubigermehrheit von 75 Prozent.

5. Aktuelle Fassung der Insolvenzgründe

Durch das StaRUG erhält der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) eine neue Relevanz. Dieser Tatbestand ist von dem der Überschuldung (§ 19 InsO) abzugrenzen. Die Tatbestände haben mit 24 bzw. 12 Monaten unterschiedlich lange Prognosezeiträume. Der drohenden Zahlungsunfähigkeit, die zwar das Recht zur Stellung eines Insolvenzantrags begründet, nicht jedoch die Pflicht hierzu, wurde ein Prognosezeitraum hinzugefügt, welcher sich regelmäßig auf 24 Monate beläuft. Das ist bei der Überschuldung nach § 19 InsO anders; dort wurde der für die Fortführungsprognose dort maßgebliche Zeitraum auf 12 Monate reduziert. Zu betonen ist, dass bei Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit eine (strafbewehrte) Insolvenzantragspflicht besteht.

Ferner bleibt die Pflicht, den Insolvenzantrag „ohne schuldhaftes Zögern“ zu stellen. Demgegenüber wurde die „Höchstfrist“, die sich „vor SanInsFoG“, ebenso wie bei der Zahlungsunfähigkeit, auf drei Wochen belief, bei Überschuldung auf sechs Wochen verlängert, § 15a Abs. 1 S. 2 InsO.  Zu beachten ist, dass eine Ausreizung dieser Frist nur zulässig ist, wenn die realistische Chance besteht, die Überschuldung innerhalb von sechs Wochen abzuwenden. Anderenfalls ist bereits vor „Fristablauf“ unverzüglich ein Insolvenzantrag zu stellen.

6. WICHTIG — HAFTUNG: Zahlungsverbote nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, § 15 b InsO

Die Insolvenzverschleppungshaftung des § 823 Abs. 2 i.V.m. § 15a InsO ist für jeden Geschäftsleiter wichtig und mitunter gefährlich. Im Wege des SanInsFOG wurden spezialgesetzlich verstreuten Zahlungsverbote ebenso wie die Ersatzpflicht im Falle eines Verstoßes in Form des § 15b InsO einheitlich und zentral geregelt. Wenngleich die jüngere Rechtsprechung des BGH die Position des Geschäftsleiters stärkt, birgt eine Betriebsfortführung in der Krise dennoch ein hohes Risiko. Zahlungen, vor allem auf – ungesicherte – Dienstleistungen müssen stets genau überlegt werden. Einzelne Zahlungen könnten trotz Insolvenzreife nach § 15b „privilegiert“ sein.  Es kommt auf den Einzelfall an.

Während der Insolvenzantragsfrist des § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO gilt die  Zahlungsprivilegierung gem. § 15 b Abs. 2 S. 2 InsO nur, wenn parallel dazu Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters getätigt werden. Eine solche Maßnahme könnte beispielsweise die Beauftragung eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts sein. An der Regelung des § 15b Abs. 2 S. 2 InsO lässt sich die allgemeine Intention des Gesetzgebers erkennen. Im Vordergrund steht die Entschärfung der Geschäftsführerhaftung, die jedoch mit Blick auf die ihr entgegenstehenden berechtigen Drittinteressen einer Einschränkung bedarf. Der Gesetzgeber belässt dem Geschäftsführer auch in diesem schon weit fortgeschrittenen Stadium der Unternehmenskrise die operative Handlungsfähigkeit.  Damit geht er ein hohes Risiko zulasten der Gläubiger ein. Zur Eindämmung dieses Risiko wird von dem Geschäftsführer eine besondere Sanierungsbereitschaft erwartet.

Die früher spezialgesetzlich geregelte Erstattungspflicht im Falle einer unzulässigen Zahlung der Geschäftsführung findet sich nunmehr in § 15 b Abs. 4 S. 1 InsO wieder. Sie wurde ebenfalls zwecks Schaffung von Rechtssicherheit und Transparenz näher konkretisiert. Im Gegensatz zu den alten spezialgesetzlich geregelten Erstattungspflichten regelt § 15 b Abs. 4 S. 2 InsO auch den in der Praxis sehr bedeutsamen Fall einer Zahlung, die zwar für die Gläubiger verwertbar ist, deren Gegenwert aber nicht äquivalent ist. Dies begründet keine vollumfängliche, sondern nur eine partielle auf den Differenzbetrag beschränkte Schadensausgleichspflicht. Auffällig ist hier insbesondere die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung. Ebenso wie in § 130 a HGB a.F. und anders als im § 64 GmbHG a.F. spricht der Gesetzgeber von einem „Schaden“. Dies suggeriert, dass der Erstattungsanspruch nunmehr als Schadensersatzanspruch zu klassifizieren ist, sodass er einer D&O Versicherung unterfällt. Dies wird mit Blick auf die Haftung des Geschäftsleiters im (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren gem. § 276 a Abs. 2, Abs. 3 InsO untermauert.

7. Fazit und Ausblick

Die Reform der Lkw-Maut mit Koppelung des CO2-Ausstoßes an die Maut bedeutet Klimaschutz. Sie führt aber auch zu Belastungen und evtl. einer Krise für Logistik- und Transportunternehmen. Deren zahlreiche Probleme können nicht sämtlich ad hoc gelöst werden. Aber ESUG und StaRUG geben diverse Möglichkeiten für Unternehmer, Gesellschafter und Geschäftsleiter. Neben der außergerichtlichen Sanierung bestehen umfangreiche Optionen einer Sanierung unter Einbindung der Gläubiger – mit und ohne Gericht. Festzuhalten ist, dass es für den sanierungswilligen Unternehmer zahlreiche Varianten gibt. In jedem Fall bedarf es profunder Überlegungen des Unternehmers und eines erfahrenen „Lotsen“ im – nicht ungefährlichen – Fahrwasser einer Krise.

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Ist ChatGPT Plus steuerlich absetzbar?

20. November 2023

Der Name ChatGPT ist inzwischen vielen bekannt. Dahinter steckt ein sog. „Large Language Modul“ (auch LLM). Das ist ein Programm, was künstliche Intelligenz einsetzt, um mit Nutzern über textbasierte Nachrichten zu kommunizieren (stark vereinfacht).

GPT steht für Generative Pre-trained Transformer.[1] Neben ChatGPT gibt es inzwischen auch alternative Anbieter wie Bing, DeepAI, Elicit, Genie Chat, etc. Diese sind weitestgehend – wie auch das reguläre ChatGPT – kostenlos.[2] Das kostenpflichtige Abonnement heißt ChatGPT Plus und kostet monatlich $ 20[3], also pro Jahr $ 240. Die Vorteile zur kostenfreien Variante sind nach Angaben des Entwicklers bessere Verfügbarkeit, schnellere Verarbeitung, Spracherkennung, etc.[4] Die Einsatzmöglichkeiten können – auch bei der täglichen Arbeit – sehr vielseitig sein.

Abzug als Werbungskosten?

Da drängt sich die Frage auf, ob Arbeitnehmer/innen diese und ggf. auch andere Kosten für derartige Programme, als Werbungskosten steuerlich absetzen können. Dafür sollte zunächst einmal geklärt werden, was Werbungskosten überhaupt sind. Definiert werden diese in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG:

„Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.“

Die Begriffe „Erwerbung, Sicherung, Erhaltung“ lassen sich nicht immer genau voneinander trennen. Sie kennzeichnen lediglich übereinstimmend, dass die Aufwendungen „zur“ Einnahmeerzielung dienen müssen. Dabei ist allgemein anerkannt, dass das „und“ auch durch ein „oder“ ersetzt werden könnte; es reicht also aus, wenn die genannten Begriffe alternativ vorliegen.

Klartext: Zu den Werbungskosten gehören alle Aufwendungen, die als Arbeitnehmer/In ausgegeben werden, um Geld zu verdienen. Dazu gehören ganz klassisch Kosten für Bewerbungsfotos oder Fortbildungen. Wichtig dabei ist, dass die jeweiligen Arbeitnehmer/Innen diese auch getragen und nicht z.B. (steuerfrei) ersetzt bekommen haben.

ChatGPT Plus als Arbeitsmittel

Werbungskosten sind auch Aufwendungen für Arbeitsmittel, zum Beispiel für Werkzeuge und typische Berufskleidung, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Arbeitsmittel alle – auch immaterielle – Gegenstände, die ausschließl. oder zumindest weitaus überwiegend der Einnahmeerzielung dienen[5]. Also grundsätzlich auch kostenpflichtige Programme, welche über ein Abo wie ChatGPT Plus genutzt werden, soweit diese bei der Bewältigung der alltäglichen Arbeit unterstützen. Dann läge ein Zusammenhang mit der Einnahmeerzielung vor.

Einsatzmöglichkeiten als Arbeitnehmer

Das Einsatzspektrum von LLM sind derart umfangreich, dass eine vollständige Darstellung kaum möglich ist. Der Kreativität ist wahrlich keine Grenze gesetzt. Ob interne E-Mails vorformuliert, Schreiben erstellt, Werbebriefe entworfen oder stichwortartige Zusammenfassungen umfassender Korrespondenz. Inzwischen können sogar ganze Bücher mittels künstlicher Intelligenz geschrieben[6] oder auf Anleitung, Bilder und Images erstellt werden.

Möglich sind auch Übersetzungen in andere Sprachen oder erste rechtliche Einschätzungen. In den Fällen bleibt die Qualität der Antworten stets durch Experten zu überprüfen. Aber erste Vorarbeiten können Programme wie ChatGPT inzwischen relativ gut leisten.

Ob der Einsatz von LLM aber tatsächlich eine Bereicherung ist, bleibt stets im konkreten Einzelfall zu überprüfen. Bei vielen Bürotätigkeiten dürfte der Einsatz von LLM tatsächlich schon jetzt Erleichterungen bringen und die Effektivität steigern. Dann müsste auch die steuerliche Berücksichtigung als Werbungskosten gegeben sein.

Dual-Use

Aber Achtung: Voraussetzung für eine volle Absetzbarkeit ist eine ausschließliche oder zumindest weitaus überwiegend Verwendung für die Einnahmeerzielung. Das bestimmt sich nach dem tatsächlichen Verwendungszweck (bzw. die beabsichtigte tatsächl. Verwendung).[7] Wird ein Gegenstand für berufliche und für private Zwecke verwendet, spricht man von sog. „Dual-Use“.

Wird das Programm also angeschafft, um z.B. auch für private Belange, z.B. E-Mails an Freunde und Bekannte, Vereinsarbeit, Ehrenämter, etc., zu verrichten, kann die Absetzung insoweit nicht vorgenommen werden.

Die Zuordnung bereitet üblicherweise dann keine Probleme, wenn schon aus dem objektiven Charakter des Gegenstands (z. B. bei Werkzeug) dessen Bezug zur Erwerbstätigkeit deutlich wird; in diesem Falle spräche eine Vermutung für die erwerbsbezogene Verwendung. Vertretbar wäre aber, dass diese Vermutung bei einem LLM gerade nicht greift, da die theoretischen Einsatzmöglichkeiten derart umfangreich sind, dass ein Einsatz ohne Weiteres auch im Privatleben Vorteile haben kann.

In Dual-Use-Fällen kann eine Aufteilung (z.B. 50/50) in Betracht kommen. Erst wenn im Einzelfall gar nicht nachprüfbar oder nicht klar erkennbar ist, ob der Gegenstand mehr der Erwerbstätigkeit oder mehr der privaten Lebensführung dient, kann dessen objektiver Charakter den Ausschlag geben. Ob ChatGPT Plus dann dem beruflichen oder privaten Bereich zuzuordnen wäre, ist dann eine Frage der Tatsachenwürdigung durch die Finanzverwaltung oder das Finanzgericht.[8]

Arbeitnehmer-Pauschbetrag

Ein Hinweis zum „Arbeitnehmer-Pauschbetrag“. Dieser wird bereits beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt und beträgt im Jahr 2023 € 1.230. Allein mit den jährlichen Kosten für z.B. ChatGPT Plus in Höhe von $ 240,00[9] würde der Pauschbetrag daher nicht überstiegen werden. In dem Fall kann in der Anlage N der Steuererklärung darauf verzichtet werden, diese als einzelne Ausgaben einzutragen. Der Pauschbetrag dient gerade der Vereinfachung.

Üblicherweise haben Arbeitnehmer/innen aber auch noch weitere Aufwendungen, die als Werbungskosten abgesetzt werden können. Wird der Pauschbetrag insgesamt überstiegen, ist auch die Absetzbarkeit von Kosten für z.B. ChatGPT Plus wieder interessant.

Datenschutz

Ob der Einsatz mit der Arbeitgeber/In abgesprochen werden sollte und insb. welche datenschutzrechtlichen Probleme mit der Verwendung von z.B. Kundendaten einhergehen, ist hier nicht näher behandelt. Nur so viel: Auf die Verwendung von sensiblen Daten (Klarnamen, Anschriften, Geburtsdaten, etc.) sollte in jedem Fall verzichtet werden.

Selbstständige: Berücksichtigung als Betriebsausgaben

Übrigens: Sollten Gewerbetreibende oder Freiberufler ChatGPT Plus im Rahmen ihres Betriebs nutzen, dann gilt nicht der Werbungskostenabzug, sondern die Regelung über Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG:

„Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind.“

Maßgeblich ist die betriebliche Veranlassung. Für den Begriff der Betriebsausgaben kommt es dann nicht darauf an, ob die Aufwendungen für den Betrieb des Steuerpflichtigen notwendig, zweckmäßig oder üblich waren. Im Gegenzug bestehen gerade für Betriebsausgaben eine Vielzahl von (Einzel-) Aufzeichnungspflichten.

Fazit

LLMs und die damit verbundene künstliche Intelligenz hat Eingang in die Arbeitswelt gefunden und ist inzwischen bei einigen Arbeitnehmer/Innen fester Bestandteil des beruflichen Alltags. Bei Vorliegen der Voraussetzungen sprechen keine Gründe dagegen, Kosten für die Nutzung dieser oder anderer Programme als Werbungskosten in Abzug zu bringen. Das bedeutet einen steuerlichen Vorteil.

Bei Zweifeln empfiehlt aber auch ChatGPT „mit einem Steuerberater oder einem Fachmann für Steuerfragen zu sprechen, um eine genaue Einschätzung zu erhalten, ob die monatlichen Kosten von ChatGPT als Werbungskosten absetzbar sind.“[10]

[1] zu deutsch: „Generativ vortrainierter Transformer“.

[2] abrufbar unter: https://openai.com/blog/chatgpt (zuletzt aufgerufen: 19.11.2023)

[3] Stand 19.11.2023. Preiserhöhungen sind in Zukunft nicht auszuschließen.

[4] https://openai.com/gpt-4 (zuletzt aufgerufen: 19.11.2023).

[5] BFH Urteil v. 30.6.10, Az. VI R 45/09, Tz. 10 f.; BFH Urteil v. 20.5.10, Az. VI R 53/09, Tz. 9 f.; BFH Urteil v. 16.1.19, Az. VI R 24/16, Tz. 11.

[6] Pierre Daniel Wittmann: Emma und ihre Reise durch die digitale Welt, Quelle: https://www.amazon.de/Emma-ihre-Reise-durch-digitale-ebook/dp/B0CFT24Y4V/ref=sr_1_1?crid=2SFXBIHZ58ZO5&keywords=emma+und+ihre+reise+durch+die+digitale+welt&qid=1700131143&sprefix=emma+und+ihre+re%2Caps%2C129&sr=8-1 (zuletzt aufgerufen am 19.11.23)

[7] BFH Urteil v. 20.5.10, Az. VI R 53/09, Tz. 10 f.

[8] BFH Urteil v. 10.7.12, Az. VI B 75/12.

[9] umgerechnet ca. € 220,00 (Stand: 19.11.2023)

[10] Teil der Antwort auf die Frage: Sind Kosten für ChatGPT steuerlich als Werbungskosten absetzbar? (Stand 19.11.2023)

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Restrukturierung und Insolvenz in Europa und neuer Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Harmonisierung des Insolvenzrechts

26. April 2023

Insolvenzsysteme StaRUG, Vergleichsfeststellungsverfahren und WHOA im europäischen Kontext oder Wettbewerb?

Ende 2016 hatte die Europäische Kommission ihren Richtlinienvorschlag über präventive Restrukturierungsrahmen veröffentlicht. Die Kommission war bestrebt, präventive Sanierungsmaßnahmen in Europa einzuführen.

Die EU-Richtlinie 2019/1023 über „…Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren…“ (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) führte in Deutschland zum Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG). Das SanInsFoG gilt seit dem 01.01.2021 und beinhaltet vor allem das „Unternehmensstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetz“ (StaRUG) mit den Möglichkeiten eines Restrukturierungsplans. Eingangsvoraussetzung eines StaRUG-Verfahrens ist bekanntlich die (nur) drohende Zahlungsunfähigkeit der/des Schuldners/in im Sinne des § 18 Abs. 2 InsO.

Polen kennt bereits seit 2016 mit dem „postępowanie o zatwierdzenie układu“ ein Verfahren zur Feststellung eines Vergleiches. Es bietet eine interessante Alternative für Unternehmer in Krise. Die Restrukturierungsmaßnahmen nach dem dt. „Schutzschirm“ gemäß § 270d InsO und der präventive Restrukturierungsrahmen nach StaRUG sind inzwischen im offensiven Wettbewerb mit dem besagten polnischen Vergleichsfeststellungsverfahren, dem englischen „Scheme-of-Arrangement“ und dem „Wet Homologatie Onderhands Akkoord“ (WHOA) in den Niederlanden.

Das moderne Sanierungsrecht und dessen Anwendung auf internationaler Ebene waren Thema am 04.04.2023 beim Arbeitskreis für Insolvenzwesen in Köln. Unter der Moderation des ehem. Insolvenzrichters Prof. Dr. Heinz Vallender diskutierten Rechtsanwalt Krijn Hoogenboezem, Amsterdam, Rechtsanwalt Pawel Kuglarz, Krakau, Rechtsanwalt Dr. Rolf Leithaus, Köln, und Richter am Amtsgericht Dr. Peter Laroche, Köln, über ihre Erfahrungen mit der Umsetzung der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (Richtlinie (EU) 2019/1023) in Deutschland, Polen und den Niederlanden. Das Publikum wurde eingebunden und diskutierte mit.

Berichterstatter in der Fachpresse war ATN-Anwalt Dr. Marc d’Avoine, der Artikel im INDAT-Rapot 03/2023 liegt bei.

ATN Beitrag „Praxis zur Prävention im Dreiklang“
Titelbild INDAT REPORT

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ATN-Beitrag in der EWiR – Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

7. März 2023

Prof. Dr. Peter Neu, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht hat in der 24. Ausgabe der EWiR (Heft 4, erschienen am 24.02.2023) in einem Fachartikel eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 15.09.2022, Az. 12 U 7/22) zur Anfechtbarkeit gezahlter Einfuhrumsatzsteuer kommentiert (S. 119-120).

 

Die Einschätzungen unseres ATN-Experten zum Urteil finden Sie hier.

 

 

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BFH-Urteil: Kryptowährungen sind Wirtschaftsgüter, kein Vollzugsdefizit

3. März 2023

Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hat sich in seinem Urteil vom 14.02.2023 (Az. IX R 3/22) mit der Steuerbarkeit von Kryptowährungen auseinandergesetzt.

Abrufbar ist das Urteil unter: https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202310057/ (Stand 28.02.2023)

Entscheidung und Tenor

Die Leitsätze des BFH lauten:

  1. Zu den (anderen) Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten VeräußerungsgeschäftsS. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sein können, gehören auch virtuelle Währungen in der Gestalt von Currency Token. Diese werden i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angeschafft, wenn sie im Tausch gegen Euro, gegen eine Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden; sie werden veräußert im Sinne der Vorschrift, wenn sie in Euro oder gegen eine Fremdwährung zurückgetauscht oder in andere Currency Token umgetauscht werden.
  1. Bei der Erfassung und Besteuerung von Veräußerungsgeschäften mit Currency Token lag im Jahr 2017 kein normatives Vollzugsdefizit

Die Revision des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil des Finanzgerichts Köln vom 25.11.2021 (Az. 14 K 1178/20) wurde so vom BFH als unbegründet zurückgewiesen.

Hintergrund

Streitig war, ob Gewinne des Klägers, aus privaten Veräußerungsgeschäften innerhalb eines Jahres seit Anschaffung mit verschiedenen Kryptowährungen (Bitcoin [BTC], Ether [ETH], Monero [XMR]) – auch „Currency Token“ genannt – gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Besteuerung unterliegen.

Für das Streitjahr 2017 wurde einen Veräußerungsgewinn i.H.v. insgesamt € 3.441.261,70 ermittelt. Das zuständige Finanzamt (Beklagte) hat den Kläger veranlagt und die Einkommenssteuer auch in Bezug zu den erzielten Veräußerungsgewinnen mit Bescheid vom 13.02.2019 vorbehaltslos festgesetzt. Da der Einspruch des Klägers nicht erfolgreich war, wandte sich dieser im erstinstanzlichen Klageverfahren an das Finanzgericht Köln (Az. 14 K 1178/20). Doch das Finanzgericht Köln entschied, dass die obenstehenden Veräußerungsgewinne zu Recht der Einkommenssteuer unterworfen worden seien. Die Revision wurde vom zugelassen, welche vom Kläger auch am 07.02.2022 beim BFH eingelegt wurde.

Entscheidungsgründe des BFH

Die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG betrifft zunächst alle Wirtschaftsgüter, d.h. Sachen und Rechte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzesbuchs (BGB), tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und auch vermögenswerte Vorteile jedweder Art. Ausgenommen sind insoweit lediglich Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs, vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EstG. Hierzu zählen die veräußerten Kryptowährungen des Klägers hingegen nicht. Auch sind Tauschvorgänge, also Kryptowährungen gegen Kryptowährungen, Anschaffungs- und Veräußerungsvorgängen gleichgestellt.

Kryptowährungen sind nach Auffassung des BFH als (andere) Wirtschaftsgüter einzustufen. Ausschlaggebend sei der handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstands; dieser ist bekanntlich weit zu fassen. Der Begriff des Wirtschaftsguts umfasse nicht nur Gegenstände im Sinne des bürgerlichen Rechts, wie z.B. Sachen und Rechte, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile. Die Currency Token BTC, ETH und XMR seien nach diesen Grundsätzen digitale Vermögenswerte. Zu den (anderen) Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sein können, gehören (jedenfalls) auch virtuelle Währungen in der Gestalt von Currency Token.

Ein normatives Vollzugsdefizit erkennt der BFH zudem nicht. Eine gesetzliche Besteuerungsgrundlage ‑ hier § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EstG ‑ wäre nur dann verfassungswidrig, wenn die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens in prinzipieller Weise verfehlt werde. Vor diesem Hintergrund genüge jedoch nicht schon jeder feststellbare Vollzugsmangel. Im Streitfall lägen insoweit keine Anhaltspunkte für ein strukturelles Vollzugsdefizit vor, das der Erhebung der Steuer entgegenstünde.

Fazit und Ausblick

Die Entscheidung des BFH ist nicht überraschend. Zum 22.05.2022 legte das Bundesministerium für Finanzen (BMF) wesentliche Grundsätze der steuerlichen Behandlung in einem ausführlichen BMF-Schreiben fest und ging insbesondere auf Einzelfragen zur ertragssteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token ein (DOK 2022/0493899). Auch die Finanzverwaltung geht insoweit davon aus, dass Gewinne nach Ablauf der Wartefrist von einem Jahr ab Anschaffung der Kryptowährung grundsätzlich steuerfrei sind, soweit nicht eine andere Einkunftsart greift (z.B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG).

Freilich bindet BMF-Schreiben vom 22.05.2022 nicht den BFH. Allerdings war zu erwarten, dass sich der BFH den dort aufgeführten ausführlichen Argumenten der Finanzverwaltung weitestgehend anschließen wird. Erfreulich ist, dass der BFH die Gelegenheit genutzt hat und auch ausführlich auf Unterschiede der jeweiligen Kryptowährungen (BTC, ETH, XRP) eingegangen ist. Im Ergebnis wirken sich diese Unterschiede zwar nicht auf die grundlegende Entscheidung aus. Eine gewisse Strahlwirkung des Urteils ist jedoch zu erwarten. Der BFH festigt einerseits bereits vorhandene Grundgedanken zur Besteuerung von Kryptowährungen. Hierdurch wird andererseits weiter Klarheit für den Kryptosektor geschaffen, wovon der Markt langfristig profitieren wird.

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EuGH bestätigt deutsches Steuerrecht betr. Umsatzsteuerliche Organschaft

1. Februar 2023

Urteile des EUGH vom 01.12.2022 Rs. C-141/20 und Rs. C-269/20 überraschen

Betr. Organschaft rechneten weite Teile der Literatur mit einem Umbruch und Konsequenzen auch für viele Unternehmen, was aus zwei Vorlagebeschlüssen des BFH an den EUGH gefolgert wurde. In den Vorlagefragen des BFH ging es insbesondere um die Frage, ob die deutsche Regelung zur umsatz­steuer­lichen Organschaft in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG und zur Bestimmung des Organträgers als Steuerschuldner unionsrechtskonform ist oder nicht. Sollte die nationale Sichtweise nicht unionsrechtskonform sein, hätte dies weitreichende Konsequenzen gehabt. Die Schlussanträge der Generalanwältin Laila Medina in den Verfahren gingen schon so weit, dass eine Neuregelung des nationalen deutschen Rechts not­wendig wäre.

Grundlagen

Seit den Vorlagefragen des BFH war es für die Steuerpflichtigen richtig – nach entsprechender (betragsmäßiger) Durchsicht deutscher Organkreise – umsatzsteuerliche Veranlagungen offenzuhalten. Das bestätigen jetzt die Urteile des EUGH vom 01.12.2022, Rs. C-141/20 (Finanzamt Kiel gegen Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie mbH zu BFH v. 11.12.2019 – XI R 16/18) und EuGH Rs. C-269/20 (Finanzamt T gegen S zu BFH v. 07.05.2020 – V R 40/19). Denn der EuGH lässt deutsche Umsatzsteuerorganschaft bestehen. Lt. EuGH bestimmt § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG den Organträger zulässigerweise zum Steuerschuldner.

EuGH Urteile C-141/20 und C-269/20

Beide Urteile C-141/20 und C-269/20 beziehen sich auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 der EG, die ab 01.01.2007 von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) der EU abgelöst wurde. Allerdings sind die Urteilsgrundsätze auf die heutige Fassung der umsatzsteuerlichen Regelung zur Organschaft nach nationalem Recht zu übertragen. Das heißt: Ein Mitgliedstaat darf den Organträger zum Steuerpflichtigen bestimmen.

Das hatte die Generalanwältin in den beiden Vorlageverfahren völlig anders gesehen. Aber die 2022er-Entscheidungen des EuGH sehen in der deutschen Regelung keinen Verstoß gegen das EU-Recht, da die Organgesellschaften über § 73 AO für ihre Umsatzsteuerschulden haften und daher keine Steuerausfälle für den Fiskus drohen. Auch könne der Organträger aufgrund der erforderlichen Eingliederung nach deutschem Recht seinen Willen in den Organgesellschaften durchsetzen, was eine Erhebung der Umsatzsteuer ermöglicht. Unter diesen Voraussetzungen ist es aus Sicht des EuGH zulässig, die Organschaft (hier, ein Mitglied des Organkreises bzw. der Mehrwertsteuergruppe) als Steuerschuldner für die Umsatzsteuern des gesamten Organkreises zu bestimmen.

Anschlussfragen:

Steuerfreie Innenumsätze künftig noch möglich?
Sind die Eingliederungsvoraussetzungen bei einer Organschaft ändern?

Die Anschlussfrage ist, ob damit mit der EuGH-Rechtsprechung zugleich das Konstrukt der steuerfreien Innenumsätze in Zweifel gezogen werden muss. Das wird sich noch zeigen. Jedenfalls ließ der EuGH offen, ob Innenleistungen im Organkreis – wie bislang von Finanzverwaltung und Rechtsprechung angenommen – nicht steuerbar sind. Sollte diese Konstruktion geändert werden, würde dieses einen erheblichen Buchhaltungs- und Administrationsaufwand auslösen.

Der deutsche Gesetzgeber wird möglicherweise auch die Eingliederungsvoraussetzungen bei einer Organschaft zu überdenken und ggf. zu regeln haben. Denn der EuGH weist darauf hin, dass ein Abstellen auf ein Über- und Unterordnungsverhältnis nicht dem EU-Recht entspreche. Vielmehr müsse grundsätzlich auch eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften möglich sein.

 

RA Marc d‘Avoine
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Onlinegründung von GmbHs in Deutschland

9. August 2022

Deutschland tut sich bekanntermaßen mit Digitalisierungsthemen schwer. Insbesondere im internationalen Vergleich fällt auf, dass Deutschland beim Einsatz digitaler Möglichkeiten und Verfahren ein bis mehrere Schritte hinterher hinkt.
Bemerkenswert ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass es in Deutschland seit dem 01.08.2022 möglich ist, verschiedene Beurkundungs- und Beglaubigungsverfahren, insbesondere die Gründung einer GmbH, online durchzuführen.
Hintergrund ist ein Europäischer Richtlinienentwurf aus dem Jahre 2018 für den „Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht“, der vor allem die Einführung einer „Online-Gründung“ von Kapitalgesellschaften beabsichtigte. Die Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht ist nunmehr erfolgt.
Im Kern finden sich die Regelungen in den § 16 a) bis 16 e) Beurkundungsgesetz wieder (sowie in verschiedenen Vorschriften der BNotO), die insoweit vollständig neu eingeführt worden sind.

Hardware- und Softwareanforderungen sowie erforderliche Identitätsnachweise

Erwartungsgemäß will der Gesetzgeber das Onlineverfahren den beteiligten Parteien insbesondere hinsichtlich deren Identifizierung und Nachweis der Vertretungsberechtigung nicht allzu einfach machen.
Um überhaupt erst in der Lage zu sein, das Onlineverfahren durchzuführen, müssen die Parteien die notwendigen Hard- und Softwareanforderungen erfüllen und in Besitz der erforderlichen Identitätsnachweise sein. Dies sind im Detail:

  • Computer mit Kamera, Mikrofon und ausreichender Internetverbindung
  • Smartphone mit NFC-Schnittstelle
  • Notar-App (online zum Download im Android oder Apple Store)
  • Für Deutsche Staatsangehörige: Personalausweis mit eID und Reisepass
  • Für Unionsbürger: Nationaler Personalausweis und Reisepass (wobei hier eine noch ein Länderbeschränkung besteht. Für das Online-Verfahren sind derzeit bereits die eIDs auf den Identity Cards aus Estland, Litauen, Luxemburg, Portugal, der Slowakei, Spanien und Tschechien freigeschaltet. Die eIDs auf den Identity Cards aus Belgien, Italien, Kroatien, Lettland und den Niederlanden kommen in Kürze hinzu.)
  • Oder Unionsbürgerkarte mit PIN und Reisepass.

Im Detail: Zugelassene Identifizierungsmittel

Zugelassen als Identifizierungsmittel sind nach § 16 c) Nr. 1 Beurkundungsgesetz deutsche Personalausweise/Aufenthaltstitel mit eID Funktion oder nach § 16 c) Nr. 2 BeurkG ein elektronisches Identifizierungsmittel, das von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des EWR ausgestellt wurde, sofern dieses eIDAS-zertifiziert und anerkannt ist sowie das Vertrauensniveau „hoch“ aufweisen.
Eine Besonderheit ist in diesem Zusammenhang die 2021 eingeführte Unionsbürgerkarte, die jeder Unionsbürger in seiner Gemeinde bequem online beantragen kann, Diese enthält die eID Funktion und kann somit unabhängig von der Länderbeschränkung – gemeinsam mit dem Reisepass – zur Identifikation genutzt werden.

Der Ablauf der Beurkundung / Beglaubigung

Der Ablauf der Online-Beurkundung ist dann wie folgt:

  • Der Notar eröffnet mittels der Notar App eine Videokonferenz mit den beteiligten Parteien.
  • Die im Ausweis gespeicherten Namen, Geburtsdatum sowie das Lichtbild wird mittels der Notar-App über die NFC-Schnittstelle aus dem Ausweis ausgelesen und an den betreffenden Notar übermittelt. Nach Übertragung der EID Daten an den Notar überprüft dieser im Rahmen einer bestehenden Videoverbindung die optische Übereinstimmung der beteiligten Personen mit den übertragenen EID Daten und den Personalausweisdaten. Es erfolgt damit praktische eine doppelte Identitätsprüfung.
  • Sodann wird anstatt einer Papierniederschrift eine elektronische Niederschrift errichtet, in der festgehalten wird, dass die Verhandlung mittels Videokommunikation durchgeführt worden ist.
  • Wie in der Präsenzsitzung wird die elektronische Niederschrift vom Notar verlesen, den Parteien zur Durchsicht übermittelt und schließlich von diesen mittels qualifizierter elektronischer Signatur (wie auch vom Notar – ebenfalls per qualifizierter elektronischer Signatur – ) unterzeichnet.

Welche Einschränkungen gibt es?

Einige Einschränkungen zur Präsenzbeurkundung müssen allerdings beachtet werden:

  • Nur Bargründung
    Derzeit ist die Beurkundung nur für den Fall der Bargründung einer GmbH möglich. Die Online-Sachgründung soll ab dem 01.08.2023 möglich werden.
  • Amtsbereichsbeschränkung
    Darüber hinaus gilt bei Onlinebeurkundungen eine besondere Amtsbereichsbeschränkung für den Notar. Dieser darf Onlinebeurkunden nur durchführen, wenn sich der Sitz der betroffenen juristischen Person, Hauptniederlassung oder Wohnsitz des betroffenen Einzelkaufmanns, bei ausländischen juristischen Personen der Sitz oder die Geschäftsanschrift der betroffenen Zweigniederlassung oder Wohnsitz oder Sitz eines organschaftlichen Vertreters der betroffenen juristischen Person in seinem Amtsbereich befinden.
    Damit ist eine Onlinegründung nicht wahlweise bundesweit möglich, sondern streng amtsbereichsbezogen.
  • Beurkundungen und Beglaubigungen
    Derzeit kann neben der Bargündung von GmbHs (und UGs mit beschränkter Haftung) auch eine Beurkundung von Gründungsvollmachten erfolgen sowie die Beglaubigung sämtlicher Anmeldungen zum Handels-; Partnerschafts- und Genossenschaftsregister.

Zukünftige Erweiterungen und Ausblick

Ab dem 01.08.2023 wird, wie bereits erwähnt, auch die Sachgründung von GmbHs möglich sein sowie die Beurkundung einstimmig gefasster Gesellschafterbeschlüsse über Satzungsänderungen, Übernahmeerklärungen bei Stammkapitalerhöhungen und die Beglaubigung sämtlicher Anmeldungen zum Vereinsregister.
Die nunmehr in Kraft getretenen Neuregelungen versprechen daher, im Bereich der Beurkundungsvorgänge, insbesondere für die Bargründung von GmbHs deren Gesellschafter/Geschäftsführer sich im Ausland befinden, eine erhebliche Erleichterung darzustellen.
Der Gesetzgeber hat damit einen großen Schritt auf dem steinigen Weg der Digitalisierung gemacht. Es ist zwar zu vermuten, dass die Form der Onlinebeurkundungen zunächst nur schleppend angenommen werden wird. Allerdings darf davon ausgegangen werden, dass schon in wenigen Jahren der Großteil der hier genannten beurkundungspflichtigen Verfahren online erfolgen wird.

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Grundsteuerreform erfordert Neubewertung von 36 Millionen Immobilien

4. Mai 2022

Erklärungen müssen vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2022 digital beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden

Mit der Umsetzung der Grundsteuerreform müssen insgesamt ca. 36 Millionen Einheiten neu bewertet werden. Vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2022 muss die Feststellungserklärung digital bei dem zuständigen Finanzamt eingereicht werden. Das bedeutet für Eigentümer:innen aber auch für viele Unternehmen einen erheblichen Aufwand. Auch zukünftig sind neue Anforderungen zu erfüllen, wie etwa eine jährliche Anzeigepflicht bei Veränderungen an den Immobilien.

Die Grundsteuerreform und die Erklärungspflichten stellen für Eigentümer:innen, Grundstücksgesellschaften, Eigentümergemeinschaften, Erbengemeinschaften, Zwangsverwalter oder Insolvenzverwalter besondere Herausforderungen und neue Aufgaben dar. Die neuen Herausforderungen werden in der Praxis erhebliche Aufwendungen u.a. Recherchen und Analysen zu Grundstücken, Art, Beschaffenheit, Historie usw. auslösen. Jedenfalls zwingen die Erklärungspflichten zur Beschaffung einer großen Datenmenge, die in der benötigten Form in vielen Fällen aus tatsächlichen Gründen einfach noch nicht vorliegen wird.

Unterschiedliche Ländermodelle verkomplizieren die Situation

Für viele Unternehmen, deren Grundbesitz sich über mehrere Bundesländer erstreckt, erschweren die unterschiedlichen Ländermodelle die Situation weiter. Das gilt auch für komplexe Einheiten, etwa Garagenanlagen im Einzel- oder Sondereigentum an den Garagen. Die zusätzlichen Aufgaben können im Einzelfall tatsächlich gar nicht erfüllt werden, jedenfalls nicht immer zeitgerecht und/oder vollständig. Selbst wenn die/der Verpflichtete die zusätzlichen Aufgaben übernimmt, Recherchen, Analysen und Berechnungen anstellen und Erklärungen abgeben würde, wird dieses eine über die Verwaltung der Immobilie hinausgehende Tätigkeit sein, welche den Aufwand enorm erhöht.

Externe Beauftragung an Experten – kostenpflichtig

Eine sachgerechte Schätzung scheidet hier wohl aus. Die/der Eigentümer:in kann und darf aber externe Experten/Dienstleister mit den Recherchen, Analysen, Auswertungen und Vorbereitung der Erklärungen beauftragen. Damit entstehen Kosten, die aber bei Einkünften aus V+V oder gewerblicher Vermietung abzugsfähig sind.

Die Gefahr unrichtiger und/oder unvollständiger Angaben ist offenkundig. Bußgeldandrohungen oder gar Bußgeldbescheide der Finanzämter wären keine angemessene Sanktion. Aus Vorsichtsgründen sollte bzgl. der Erklärungspflichten frühzeitig Fristverlängerung beantragt werden, um Bußgelder zu vermeiden. Ggf. sollten die Verlängerungsanträge wiederholt werden.

Vermutlich werden viele Eigentümer:innen externe Experten oder Berater einschalten müssen, um den neuen Aufgaben gerecht zu werden.

Rechtsanwalt Dr. Marc d’Avoine

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