Das Ende der Gerichtsverhandlung per Videokonferenz?

7. Februar 2024

Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofes könnte die „Digitalisierung“ von Gerichtsverhandlungen ausbremsen….

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 30.06.2023 (Az. V B 13/22) klargestellt, dass für die Beteiligten an einer Videokonferenz im Rahmen einer Gerichtsverhandlung durchgehend feststellbar sein muss, ob die Richter in der Lage sind, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen. Das erfordert, dass nicht nur alle Verfahrensbeteiligten bzw. ihre Bevollmächtigten, sondern auch alle zur Entscheidung berufenen Richter während der Videokonferenz für die zugeschalteten Beteiligten sichtbar sind. Damit hat der BFH seine Anforderungen an eine Videoverhandlung weiter konkretisiert. Bei vielen Gerichten dürften diese Voraussetzungen aus technischen Gründen nicht erfüllt sein.

Hintergrund

Hintergrund der Entscheidung war ein Verfahren beim Finanzgericht Münster. Dort gestattet das Gericht den Beteiligten des Verfahrens per Beschluss, sich während der mündlichen Verhandlung in den eigenen Räumlichkeiten aufzuhalten und dort per Videokonferenz an der Verhandlung teilzunehmen. Mit einer Beschwerde gegen die im Urteil des Finanzgerichts Münster ausgesprochene Nichtzulassung der Revision hatte der Kläger vorgetragen, dass während der neunzigminütigen Verhandlung lediglich der Vorsitzende Richter des Senats, der das Wort geführt hatte, etwa 2/3 der Zeit alleine im Bild gewesen sei und er das Verhalten der übrigen Richter nicht habe verfolgen konnte. Das BFH hob das Urteil des Finanzgerichts dagegen auf und verwies den Rechtsstreit zurück. Zur Begründung verwies er darauf, dass der Anspruch des Klägers auf die vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts nach § 119 Nr. 1 FGO i.V.m. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt worden sei. Eine vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts liege nur vor, wenn jeder an der Verhandlung und Entscheidung beteiligte Richter die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung wahrnehmen und „in sich“ aufnehmen könne. Nur dann sei ein Richter in der Lage, seine Überzeugung aus dem Gesamtergebnis der Verhandlung zu gewinnen. Die Anwendung der fortschrittlicheren Videokonferenz dürfe laut BFH nicht zu einem Verlust an rechtsstaatlicher Qualität führen. Es müsse jederzeit feststellbar sein, ob alle Richter körperlich und geistig anwesend sind und der Verhandlung folgen. Bei der Videokonferenz müssten verbale und nonverbale Äußerungen wahrnehmbar sein. Nur die im Gerichtssaal anwesenden Zuschauer müssten nicht zu sehen sein.

Bei einem Verstoß gegen die durchgängige visuelle Anwesenheit aller Richter liege ein Verfahrensmangel nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor, der einen absoluten Revisionsgrund darstelle und der Disposition der Parteien entzogen sei.

Videokonferenzen

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit der Teilnahme an Gerichtsverhandlungen nicht erst seit der Corona-Pandemie, sondern seit mehr als 20 Jahren. § 128a ZPO regelt dies für sämtliche Verhandlungen im Anwendungsbereich der ZPO. Andere Verfahrensordnungen haben entsprechende Regelungen oder Verweise auf diese Vorschrift.

Die mündliche Verhandlung kann daher außerhalb des Sitzungssaales von den Parteien bzw. ihren Bevollmächtigten wahrgenommen werden. Das Gericht kann eine Videokonferenz inzwischen nicht nur auf Antrag einer Partei, sondern auch von Amts wegen anordnen, wenn es dies für angemessen hält.

Voraussetzung ist die Möglichkeit, die Verfahrenshandlungen der Parteien und das Gericht zeitgleich zu jedem Zeitpunkt der Verhandlung visuell und akustisch wahrzunehmen, da nur auf diese Weise eine herkömmliche, der mündlichen Verhandlung vergleichbare Verhandlungssituation entsteht.

Verhandlungen im Wege der Bild- und Tonübertragung haben seit der Corona-Pandemie an Bedeutung gewonnen. Sie vermeiden Kosten und zeitintensive Reisetätigkeiten der Beteiligten, zudem schonen sie das Klima.

Verfahrensfehler

Während bislang bestehende Übertragungsdefizite meist als § 295 ZPO heilbare Verfahrensfehler eingeordnet wurden, entschied der BFH nun, dass die nicht durchgängige visuelle Übertragung aller Richter als absoluter Revisionsgrund anzusehen sei. Die Entscheidung betrifft alle Gerichtszweige, also z.B. auch die Arbeitsgerichtsbarkeit. Ein Abweichen wäre nur bei einer Vorlage vor den gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes denkbar.

Fazit

Die Entscheidung könnte die Digitalisierung in deutschen Gerichtssälen ausbremsen. Sie ist vollständig auf die Vorschriften für die Zivil- Verwaltungs-, Sozial- und Arbeitsgerichte übertragbar und hat damit erhebliche Auswirkungen auf die den Richtern obliegende Entscheidung, ob dem Antrag auf Durchführung einer Videokonferenz stattgegeben wird. Sie steht auch im Widerspruch zu dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur „Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten“.

Der Beschluss des BFH zeigt, dass – soweit das Gericht die Entscheidung nicht auf einen Einzelrichter übertragen hat – bei der Übertragung gewährleistet sein muss, dass alle berufenen Richter parallel in der Videokonferenz sichtbar sein müssen, ohne, dass dies als rein schemenhafte Kontur ohne erkennbare Gestik und Mimik erfolgt, oder, dass lediglich der das Wort innehabende Richter zu sehen ist.

Dem Beschluss ist außerdem zu entnehmen, dass es die Kameraeinstellung ermöglichen muss, neben allen Richtern auch die Parteien bzw. ihre Rechtsbeistände durchgängig visuell sehen zu können. Die Übertragung nur einzelner Personen aus diesem Personenkreis genügt nicht und dürfte dann wohl ebenfalls einen Revisionsgrund darstellen.

Der Beschluss des BFH zwingt die Gerichte zur Verwendung mehrerer Kameras, u.U. sogar mit Zoom- und Schwenkfunktion. Die Videokonferenz muss so eingerichtet sein, dass die komplette Kammer und die Parteien zeitgleich visuell und akustisch wahrzunehmen sind. Dafür dürfte es bei vielen Gerichtssälen an den technischen Voraussetzungen fehlen. Das Finanzgericht Düsseldorf ist daher dazu übergangen, alle Anträge auf Durchführung als Videokonferenz abzulehnen. Angeblich würde die technische Aufrüstung der Kamerasysteme zu Kosten im sechsstelligen Bereich führen.

Anwälten bietet die Entscheidung die u.U. willkommene Möglichkeit zur Revisionseinlegung – auch in Fällen mit überschaubar großen Erfolgsaussichten. Vor dem Hintergrund werden die Gerichte voraussichtlich immer restriktiver mit Anträgen auf Ansetzung von Videokonferenzen umgehen.

Durch den Verweis in der Begründung der Entscheidung des BFH auf das Grundgesetz dürfte eine Lösung des Gesetzgebers nicht zu erwarten sein. Angesichts leerer Staatskassen ist aber auch eine technische Lösung kurzfristig unwahrscheinlich. In Folge der Entscheidung dürften Gerichtsverhandlungen nun wieder vermehrt die Präsenz aller Beteiligter erfordern, was letztlich die einzige positive Folge der Coronapandemie entfallen lässt.

 

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Onlinegründung von GmbHs in Deutschland

9. August 2022

Deutschland tut sich bekanntermaßen mit Digitalisierungsthemen schwer. Insbesondere im internationalen Vergleich fällt auf, dass Deutschland beim Einsatz digitaler Möglichkeiten und Verfahren ein bis mehrere Schritte hinterher hinkt.
Bemerkenswert ist allerdings in diesem Zusammenhang, dass es in Deutschland seit dem 01.08.2022 möglich ist, verschiedene Beurkundungs- und Beglaubigungsverfahren, insbesondere die Gründung einer GmbH, online durchzuführen.
Hintergrund ist ein Europäischer Richtlinienentwurf aus dem Jahre 2018 für den „Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht“, der vor allem die Einführung einer „Online-Gründung“ von Kapitalgesellschaften beabsichtigte. Die Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht ist nunmehr erfolgt.
Im Kern finden sich die Regelungen in den § 16 a) bis 16 e) Beurkundungsgesetz wieder (sowie in verschiedenen Vorschriften der BNotO), die insoweit vollständig neu eingeführt worden sind.

Hardware- und Softwareanforderungen sowie erforderliche Identitätsnachweise

Erwartungsgemäß will der Gesetzgeber das Onlineverfahren den beteiligten Parteien insbesondere hinsichtlich deren Identifizierung und Nachweis der Vertretungsberechtigung nicht allzu einfach machen.
Um überhaupt erst in der Lage zu sein, das Onlineverfahren durchzuführen, müssen die Parteien die notwendigen Hard- und Softwareanforderungen erfüllen und in Besitz der erforderlichen Identitätsnachweise sein. Dies sind im Detail:

  • Computer mit Kamera, Mikrofon und ausreichender Internetverbindung
  • Smartphone mit NFC-Schnittstelle
  • Notar-App (online zum Download im Android oder Apple Store)
  • Für Deutsche Staatsangehörige: Personalausweis mit eID und Reisepass
  • Für Unionsbürger: Nationaler Personalausweis und Reisepass (wobei hier eine noch ein Länderbeschränkung besteht. Für das Online-Verfahren sind derzeit bereits die eIDs auf den Identity Cards aus Estland, Litauen, Luxemburg, Portugal, der Slowakei, Spanien und Tschechien freigeschaltet. Die eIDs auf den Identity Cards aus Belgien, Italien, Kroatien, Lettland und den Niederlanden kommen in Kürze hinzu.)
  • Oder Unionsbürgerkarte mit PIN und Reisepass.

Im Detail: Zugelassene Identifizierungsmittel

Zugelassen als Identifizierungsmittel sind nach § 16 c) Nr. 1 Beurkundungsgesetz deutsche Personalausweise/Aufenthaltstitel mit eID Funktion oder nach § 16 c) Nr. 2 BeurkG ein elektronisches Identifizierungsmittel, das von einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des EWR ausgestellt wurde, sofern dieses eIDAS-zertifiziert und anerkannt ist sowie das Vertrauensniveau „hoch“ aufweisen.
Eine Besonderheit ist in diesem Zusammenhang die 2021 eingeführte Unionsbürgerkarte, die jeder Unionsbürger in seiner Gemeinde bequem online beantragen kann, Diese enthält die eID Funktion und kann somit unabhängig von der Länderbeschränkung – gemeinsam mit dem Reisepass – zur Identifikation genutzt werden.

Der Ablauf der Beurkundung / Beglaubigung

Der Ablauf der Online-Beurkundung ist dann wie folgt:

  • Der Notar eröffnet mittels der Notar App eine Videokonferenz mit den beteiligten Parteien.
  • Die im Ausweis gespeicherten Namen, Geburtsdatum sowie das Lichtbild wird mittels der Notar-App über die NFC-Schnittstelle aus dem Ausweis ausgelesen und an den betreffenden Notar übermittelt. Nach Übertragung der EID Daten an den Notar überprüft dieser im Rahmen einer bestehenden Videoverbindung die optische Übereinstimmung der beteiligten Personen mit den übertragenen EID Daten und den Personalausweisdaten. Es erfolgt damit praktische eine doppelte Identitätsprüfung.
  • Sodann wird anstatt einer Papierniederschrift eine elektronische Niederschrift errichtet, in der festgehalten wird, dass die Verhandlung mittels Videokommunikation durchgeführt worden ist.
  • Wie in der Präsenzsitzung wird die elektronische Niederschrift vom Notar verlesen, den Parteien zur Durchsicht übermittelt und schließlich von diesen mittels qualifizierter elektronischer Signatur (wie auch vom Notar – ebenfalls per qualifizierter elektronischer Signatur – ) unterzeichnet.

Welche Einschränkungen gibt es?

Einige Einschränkungen zur Präsenzbeurkundung müssen allerdings beachtet werden:

  • Nur Bargründung
    Derzeit ist die Beurkundung nur für den Fall der Bargründung einer GmbH möglich. Die Online-Sachgründung soll ab dem 01.08.2023 möglich werden.
  • Amtsbereichsbeschränkung
    Darüber hinaus gilt bei Onlinebeurkundungen eine besondere Amtsbereichsbeschränkung für den Notar. Dieser darf Onlinebeurkunden nur durchführen, wenn sich der Sitz der betroffenen juristischen Person, Hauptniederlassung oder Wohnsitz des betroffenen Einzelkaufmanns, bei ausländischen juristischen Personen der Sitz oder die Geschäftsanschrift der betroffenen Zweigniederlassung oder Wohnsitz oder Sitz eines organschaftlichen Vertreters der betroffenen juristischen Person in seinem Amtsbereich befinden.
    Damit ist eine Onlinegründung nicht wahlweise bundesweit möglich, sondern streng amtsbereichsbezogen.
  • Beurkundungen und Beglaubigungen
    Derzeit kann neben der Bargündung von GmbHs (und UGs mit beschränkter Haftung) auch eine Beurkundung von Gründungsvollmachten erfolgen sowie die Beglaubigung sämtlicher Anmeldungen zum Handels-; Partnerschafts- und Genossenschaftsregister.

Zukünftige Erweiterungen und Ausblick

Ab dem 01.08.2023 wird, wie bereits erwähnt, auch die Sachgründung von GmbHs möglich sein sowie die Beurkundung einstimmig gefasster Gesellschafterbeschlüsse über Satzungsänderungen, Übernahmeerklärungen bei Stammkapitalerhöhungen und die Beglaubigung sämtlicher Anmeldungen zum Vereinsregister.
Die nunmehr in Kraft getretenen Neuregelungen versprechen daher, im Bereich der Beurkundungsvorgänge, insbesondere für die Bargründung von GmbHs deren Gesellschafter/Geschäftsführer sich im Ausland befinden, eine erhebliche Erleichterung darzustellen.
Der Gesetzgeber hat damit einen großen Schritt auf dem steinigen Weg der Digitalisierung gemacht. Es ist zwar zu vermuten, dass die Form der Onlinebeurkundungen zunächst nur schleppend angenommen werden wird. Allerdings darf davon ausgegangen werden, dass schon in wenigen Jahren der Großteil der hier genannten beurkundungspflichtigen Verfahren online erfolgen wird.

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Die Unternehmensplanung in Krisenzeiten

8. Juli 2022

Die Covid-19 Pandemie, die Halbleiterkrise und der Ukraine-Krieg haben in den vergangenen Monaten die deutsche Wirtschaft erheblich belastet. Die Auswirkungen in Form von Rohstoffknappheit, Lieferkettenproblemen, gestiegenen Material- und Personalkosten und insbesondere massiv gestiegenen Energiekosten sind markant. Einzelne Branchen, z.B. der Anlagenbau oder die Automobilzulieferer, standen bereits vor Corona unter erheblichem wirtschaftlichem Druck. Die Situation für die Unternehmen hat sich jedoch erheblich verschärft. Die derzeitige Gaskrise ist für viele Unternehmen nun existenzbedrohend und eine Verbesserung der Lage ist nicht in Sicht.

Unternehmensplanung im Rahmen der Krisenfrüherkennung

Die Geschäftsführer einer juristischen Person sind nach § 1 Abs. 1 S. 1 StaRUG dazu verpflichtet, fortlaufend über Entwicklungen zu wachen, welche den Fortbestand des Unternehmens gefährden können. Die Insolvenzgründe der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind somit zu überwachen. Dazu gehört im Rahmen der Krisenfrüherkennung insbesondere die Erstellung einer Unternehmensplanung.
Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass das bloße Fortschreiben der Unternehmensplanung mit historischen Werten nicht mehr zu belastbaren Ergebnissen führt. Ein Blick in die Zukunft ist für die Geschäftsführer jedoch mit Unwägbarkeiten behaftet. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Prognosezeitraum für die Ermittlung einer (nur) drohenden Zahlungsunfähigkeit in aller Regel 24 Monate beträgt. Eine belastbare Aussage über die weiteren Krisenverläufe zu treffen ist selbst auf Wochenbasis aktuell schon nahezu unmöglich. Wie kann dann eine belastbare Planung für die nächsten 24 Monate erstellt werden?

Rollierende Planung als Grundlage

Grundsätzlich sollte auf Grundlage einer vollständigen kurzfristigen operativen und langfristigen strategischen Unternehmensplanung (inkl. Absatz-, Produktions- und Investitionsplanung) eine laufend zu aktualisierende Liquiditätsplanung mit einem Planungszeitraum von 24 Monaten erstellt werden. Die Liquiditätsplanung muss mindestens die aktuell verfügbaren liquiden Mittel (Bankenbestand, KK-Linie, Kassenbestand), die Ein- und Auszahlungen anhand der OP-Debitoren und OP-Kreditoren unter Einbeziehung der entsprechenden Fälligkeiten, die Auftragsliste bzw. Businessplan mit entsprechenden Zahlungszielen, wiederkehrende Auszahlungen für Dauerschuldverhältnisse, Steuerverbindlichkeiten, Personalkosten, Sozialversicherungen, notwendige Investitionen sowie sonstige anfallende Ein- und Auszahlungen berücksichtigen. In der Folge sind vor dem Hintergrund des „Ausgleichgesetzes der Planung“ sowohl positive als auch negative Abweichungen in den Planungen regelmäßig zu prüfen, zu bewerten und schließlich in der rollierenden Planung ggf. auf allen Stufen angepasst abzubilden (Soll-Ist-Vergleich).

Szenario-Analyse zur Darstellung von Unwägbarkeiten

Das Prinzip Hoffnung als Planungsgrundlage ist in Krisenzeiten nicht ausreichend. Aufgrund der unsicheren Krisenlage, sollten Geschäftsführer daher den Fokus auf die strategische Szenario-Analyse legen. Hierbei werden mögliche Entwicklungen, erkannte Risiken und deren potentielle Auswirkungen auf das Unternehmen in Extremszenarien (Best-Case/Worst-Case) sowie ein wahrscheinliches Szenario (Trendszenario) definiert, um „Überraschungen“ möglichst zu vermeiden. Das bedeutet für Geschäftsleiter zwar einen erheblichen Aufwand, liefert aber zugleich einen guten Überblick auf mögliche Entwicklungen in der Zukunft. Die Unternehmensstrategie kann somit frühzeitig überprüft und ggf. angepasst werden.

Fazit

Im Ergebnis müssen Geschäftsleiter aktuell genauer denn je potentielle unternehmensinterne und externe Krisensignale im Blick haben. Werden derartige Krisensignale identifiziert, müssen deren Risiken und möglichen Folgen für das Unternehmen bewertet bzw. definiert werden. Insbesondere steigende Energiekosten, Nachfragerückgänge, Lieferprobleme seitens der Lieferanten, Kürzung von Zahlungszielen oder Forderungsausfälle müssen unmittelbar hinterfragt und in der Planung berücksichtigt werden. Wichtig ist, dass sämtliche Entscheidungs- und Planungsgrundlagen nachvollziehbar dargelegt und dokumentiert werden, um ein Haftungsrisiko im Fall einer Fehleinschätzung möglichst zu vermeiden.

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Pressemitteilung zur Rettung der Dawedeit GmbH und Gunter Dawedeit GmbH & Co. KG Verpachtungen

18. Juni 2020

Pressemitteilung zur Rettung der Dawedeit GmbH und Gunter Dawedeit GmbH & Co. KG Verpachtungen

Dawedeit mit starkem Investor für Neuausrichtung

  • Fortführung durch erfahrenen Investor gesichert
  • Standort Schalksmühle bleibt als Produktionsstätte erhalten

Hagen, Schalksmühle Juni 2020 – Ende 2019 geriet das Schalksmühler Unternehmen Dawedeit GmbH, welches auf Präzisionsstanzteile für die Automobil- und Elektroindustrie spezialisiert ist, in Insolvenz. Bereits zwei Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Mai 2020 vor dem Amtsgericht Hagen wurde für das insolvente Unternehmen im Rahmen eines Asset-Deals eine Lösung gefunden. Die Fortführung konnte durch den Verkauf an einen erfahrenen, strategischen Investor gesichert werden. Als besonders positiv ist herauszustellen, dass die Produktionsstätte in Schalksmühle weiter bestehen bleibt und damit auch die Immobilie der Gunter Dawedeit GmbH & Co. KG Verpachtungen eine Nutzung erfährt. Erfreulich ist zudem, dass durch den Investor ein wesentlicher Teil der Arbeitsplätze erhalten werden kann.

Im Rahmen des Verfahrens wurde der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Prof. Dr. Peter Neu und sein Kollege Rechtsanwalt Thorsten Kapitza von den ATN d’Avoine Teubler Neu Rechtsanwälten beim Verkaufsprozess durch die CVM Capital Value Management GmbH begleitet. So konnten die Vermögenswerte der insolventen Gesellschaft an die Springtec Group im Wege eines Asset-Deals veräußert werden.

Die Sanierung des Unternehmens ist nicht zuletzt deshalb gelungen, weil die Kunden und Mitarbeiter dem Unternehmen in den letzten Monaten, trotz der Insolvenz, treu geblieben sind. So ist es gelungen, das Unternehmen fortzuführen, zu stabilisieren und einen Investor zu finden.

Über ATN Rechtsanwälte d’Avoine Teubler Neu:

ATN ist eine an mehreren Standorten in NRW ansässige Wirtschaftskanzlei, die mit über 100 Mitarbeitern über besondere Expertise im Bereich Restrukturierung und Insolvenzverwaltung verfügt. ATN gehört in diesem Bereich ausweislich der Wirtschaftswoche zu den Top-Kanzleien in Deutschland.

Über CVM Capital Value Management GmbH

Die CVM Capital Value Management GmbH mit Sitz in Dortmund gestaltet, begleitet und koordiniert in enger Zusammenarbeit mit ihren Mandanten den gesamten M&A ¬Prozess. Der Fokus liegt auf der Begleitung von mittelständischen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Unternehmen in Umbruch- und Sanierungssituationen sowie in der Fortführung aus der Insolvenz.

Über Springtec Group

Die Springtec Group ist ein renommierter Hersteller von Stanz- und Stanzbiegeteilen. Das Unternehmen fertigt Anbindungselemente, Stecker, Befestigungsteile, Montageteile sowie Schweißbaugruppen für zahlreiche weiterverarbeitende Unternehmen der Automobilzulieferer- und Elektroindustrie.

Corona-Kurzarbeitergeld – Aktuelle Rechtsfragen zur Kurzarbeit in der Corona-Krise

14. Mai 2020

Über die erleichterten Zugangsvoraussetzungen zum Kurzarbeitergeld für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß der §§ 95 ff. SGB III hatten wir bereits ausführlich berichtet (siehe Bericht vom 11.03.2020 – Arbeitsrechtliche Maßnahmen bei unvermeidbarem Arbeitsausfall). Bislang haben bereits über 700.000 Betriebe Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit angemeldet. Millionen Beschäftigte sind hiervon betroffen.

Auf Grund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie einigte sich der Koalitionsausschuss der Bundesregierung am 22.04.2020 nunmehr über eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes. Gegenwärtig zahlt die Bundesagentur für Arbeit bei Kurzarbeit 60 % des Lohnausfalles für alleinstehende und 67 % Prozent für Eltern mit unterhaltsberechtigten Kindern. Diese Grenzen sollen für Beschäftigte, die derzeit um mindestens 50 % weniger arbeiten, gestaffelt angehoben werden. Ab dem vierten Monat des Bezugs erhalten kinderlose Arbeitnehmer 70 % Kurzarbeitergeld, während Eltern 80 % erhalten. Ab dem siebten Monat des Bezugs werden diese Werte nochmals angehoben auf 77 % des Lohnausfalls für alleinstehende Arbeitnehmer und 87 % für Eltern. Diese Regelungen gelten nach derzeitigem Stand maximal bis zum 31.12.2020.

Darüber hinaus sollen ab dem 01.05.2020 bis zum 31.12.2020 die bereits bestehenden Hinzuverdienstmöglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer Hinzuverdienstgrenze bis zur vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens für alle Berufe geöffnet werden. Bereits seit dem 01.04.2020 gilt gem. § 421c SGB III, dass in der Zeit vom 01.04.2020 bis 31.10.2020 die Anrechnung anderweitigen Verdienstes aus einer während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommenen Beschäftigung in systemrelevanten Branchen und Berufen dem Kurzarbeitergeld nicht hinzugerechnet wird.

Im Übrigen weisen wir darauf hin, dass die Bundesagentur für Arbeit vermehrt Fehler bei der Beantragung des Kurzarbeitergeldes moniert. Bislang konnte die Bearbeitungszeit der Antragsunterlagen in den meisten Fällen auf unter 15 Tagen gehalten werden. Um diese Grenze einzuhalten, sind Fehler bei der Beantragung unbedingt zu vermeiden (u.a. fehlende und falsche Unterschriften sowie Nachweise der Bevollmächtigung des Antragstellers, mangelhafte Darstellung der Arbeitszeitausfälle, unzureichende Angaben zur Gesamtzahl der beschäftigten Mitarbeiter sowie der Kurzarbeiter, fehlende oder falsche Betriebsnummern, verspätete Antragstellung nach Ablauf von drei Monaten ab dem Kalendermonat für den Kurzarbeitergeld beantragt wird – § 325 Abs. 3 SGB III).

Zur Abgrenzung von Kurzarbeitergeld und Krankengeld macht der GKV-Spitzenverband aufmerksam, dass es auch hierbei mehrfach zu Fehlern bei der Beantragung und Abrechnung von Krankengeld in Höhe des Kurzarbeitergeldes kommt. Die Antragsteller verkennen die Zuständigkeit der Arbeitsagenturen und der gesetzlichen Krankenkassen bei der Abgrenzung von Kurzarbeitergeld und Krankengeld. Die Abgrenzung ergibt sich nach dem betrieblichen Anspruchszeitraum des Kalendermonats für den Kurzarbeitergeld beantragt wird, vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 325 Abs. 3 SGB III. Dies gilt ganz unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer in dem jeweiligen Monat (für den Kurzarbeitergeld beantragt worden ist) vor dem Arbeitsausfall oder danach erkrankt. In beiden Fällen ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig.

Für Grenzgänger, die ihren Arbeitsplatz in Deutschland auf Grund von Grenzschließungen oder Quarantänemaßnahmen nicht erreichen konnten, hat die Bundesagentur für Arbeit ihre Rechtsanwendung zum Ausschluss des Kurzarbeitergeldes geändert. Sie erhalten ab sofort ebenso Kurzarbeitergeld auch wenn es zu Grenzschließungen oder Quarantänemaßnahmen kommt. Der Doppelbezug von Kurzarbeitergeld im Inland und Entschädigung im Ausland ist allerdings zu vermeiden, weswegen seitens des Antragstellers gegenüber der Bundesagentur für Arbeit zu versichern ist, dass die Betroffenen seitens ihres Heimatstaates keine Entschädigung im Zusammenhang mit der Grenzschließung erhalten.

UPDATE – Gesetzliche Maßnahmen und Regelungen in der Corona-Krise

13. Mai 2020

UPDATE – Stand 13.05.2020 – Gesetzliche Maßnahmen und Regelungen in der Corona-Krise

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1. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Telefon

Arbeitgebern ist sie bereits bekannt. Arbeitnehmer erfahren meist erst im Krankheitsfall von ihr. Die Möglichkeit der Krankschreibung per Telefon durch den eigenen Hausarzt. Grundsätzlich gilt gem. § 4 Abs. 1 S. 2 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit, dass die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nur auf Grund ärztlicher Untersuchung zu erfolgen hat. Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde mit Beschluss des G-BA vom 20.03.2020 in § 4 Abs. 1 S. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie eine befristete Sonderregelung zur telefonischen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen der oberen Atemwege aufgenommen. Diese Regelung wurde nunmehr mit Beschluss vom 29.04.2020 verlängert. Die Befristung gilt vorerst bis zum 18.05.2020 und ermöglicht Vertragsärztinnen und Vertragsärzten die Arbeitsunfähigkeit durch telefonische Anamnese bis zu sieben Tage im Voraus zu bestimmen. Eine einmalige Verlängerung der Krankschreibung für weitere sieben Tage ist möglich. Über eine Verlängerung der Geltungsdauer und Anpassung der Regelung soll vor Ablauf der Befristung entschieden werden, § 4 Abs. 1 S. 4 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie.

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2. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard

Gem. § 3 ArbSchG gehört der betriebliche Arbeitsschutz und damit die Sicherheit und Gesundheit der beschäftigten Arbeitnehmer zu den Grundpflichten des Arbeitgebers. Er ist gehalten die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene möglichst vermieden wird, vgl. § 4 Nr. 1 und 3 ArbSchG. Dies gilt in der derzeitigen Corona-Krise umso mehr. Um diesem Ziel gerecht zu werden wurde der sog. „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“ vom Bundesministerium für Arbeit entwickelt und innerhalb der Bundesregierung abgestimmt; abrufbar unter:

https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Schwerpunkte/sars-cov-2-arbeitsschutzstandard.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Die Umsetzung des „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards“ obliegt dem Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zur betrieblichen Pandemieprävention und gibt ihm zugleich Sicherheit bei der Auswahl und Umsetzung geeigneter Maßnahmen zum Infektionsschutz. Hierzu gehören u.a. die Einführung von Hygieneregeln (Mund- und Nasenschutz, Desinfektionsspender), Abstandsgebote (1,5 m) und insbesondere organisatorische Regelungen zur Minimierung des Personenkontakts von Beschäftigten und Kunden wie etwa transparente Abtrennungen, Vermeidung von Dienstreisen und Präsenzveranstaltungen (Telefon- und Videokonferenz), Schaffung von Teams bei der Nutzung von Mehrfachbüros und Gemeinschaftseinrichtungen (Poolfahrzeuge). Vor allem Büroarbeit ist nach Möglichkeit im Home-Office zu verrichten.

Der „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“ ist zugleich Richtschnur für die Aufsichtsbehörden und Aufsichtsdienste bei der Beratung und Überwachung der Betriebe sowie der notfalls erforderlichen Sanktionierung bei Verstößen. Branchenspezifische Konkretisierungen werden durch die Berufsgenossenschaften bereitgestellt. Weitergehender Hygieneregeln bedarf es sodann nicht. Dass dies ernst zu nehmen ist, zeigt jüngst ein im Kreis Coesfeld geschlossener Fleischbetrieb. Dort wurde die Produktion behördlich untersagt, da insbesondere das Tragen der Mund-Nasen-Schutzmasken im Bereich des Zerlegebandes nicht eingehalten wurden. Die Untersagungsverfügung wurde zwischenzeitlich durch das Verwaltungsgericht Münster bestätigt (Eilrechtsschutz – Beschl. v. 09.05.2020, Az.: 5 L400/20). Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

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3. Entschädigungsleistungen bei KiTa-Schließungen – Vorleistungspflicht des Arbeitgebers.

Seit dem 30.03.2020 können erwerbstätige Sorgeberechtigte gem. § 56 Abs. 1a IfSG eine Entschädigung in Geld für Lohnausfälle beanspruchen, die ihnen für Zeiten entstehen, in denen sie ihre Kinder bei vorübergehender Schließung von Kindertagesstätten oder Schulen infolge der Corona-Pandemie selbst betreuen und keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können. Die Beträge sind von der Bundesagentur für Arbeit zu erstatten, wobei der Arbeitgeber für die Dauer von sechs Wochen vorleistungspflichtig ist, § 56 Abs. 5 IfSG.

Das Ende des vorleistungspflichtigen Leistungszeitraums von sechs Wochen ist derzeit jedoch fraglich. Da die Anspruchsvoraussetzungen mit dem 30.03.2020 zu laufen begannen, wäre grundsätzlich zu erwägen, dass die Vorleistungspflicht des Arbeitgebers mit dem 11.05.2020 geendet hat. Der Arbeitgeber hätte ab diesem Zeitpunkt keine Entschädigungsleistungen mehr zu zahlen. Die Entschädigung ist innerhalb dieses Zeitraums allerdings nur für diejenigen Tage zu leisten, bei denen eine anderweitige Betreuung unzumutbar war oder nicht etwa Ferienzeiten bestanden. Diese könnten den Sechs-Wochen-Zeitraum verlängern. Dafür spricht ebenfalls, dass die Antragsformulare der Bundesagentur für Arbeit von einer tageweisen Berechnung ausgehen, bei denen der Arbeitgeber als Antragsteller alle Tage, für die ein Entschädigungsanspruch entstehen könnte, anzukreuzen hat. Diese Rechtsfrage ist noch nicht abschließend geklärt und wird derzeit in den einzelnen Bundesländern erörtert.

Da nicht auszuschließen ist, dass der Arbeitgeber nur bis zum 11.05.2020 vorleistungspflichtig ist, sollte er die Entschädigung nur unter der ausdrücklichen Erklärung des Vorbehaltes leisten, dass er in der Tat zur Zahlung der Entschädigung verpflichtet ist. Dies sollte unverzüglich mit dem 11.05.2020 im Betrieb per Intranet, Rundschreiben oder persönlicher E-Mail an die betroffenen Arbeitnehmer erfolgen.

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4. Pauschal ermittelter Verlustrücktrag aus 2020

Unternehmer, die infolge der Corona-Krise mit Umsatzeinbußen zu rechnen haben, dürfen sich über Liquiditätshilfen freuen. Sie haben im Vergleich zu den Vorjahren bereits jetzt mit erheblich geringeren Einkünften für das Jahr 2020 zu rechnen und können für den Veranlagungszeitraum 2020 einen rücktragsfähigen Verlust erwarten, § 10d Abs.1 S. 1 EStG. Da die hierfür maßgebliche Prognose und Darlegung der Verluste mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, sollen Anträge auf Herabsetzung der Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2019 auf der Grundlage eines pauschal ermittelten Verlustrücktrags aus 2020 abgewickelt werden können. Der pauschal ermittelte Verlustrücktrag aus 2020 beträgt 15 % der ursprünglich erwarteten Gewinneinkünfte, welche der Festsetzung der Vorauszahlung für 2019 zugrunde gelegt werden und ist bis zu einem Betrag von € 1.000.000,00 bzw. bei Zusammenveranlagung von € 2.000.000,00 abzuziehen. Nach Neuberechnung und Festsetzung der Vorauszahlung für 2019 unter Berücksichtigung des pauschal ermittelten Verlustrücktrags aus 2020, ist die Überzahlung zu erstatten. Darüber hinaus kann gleichzeitig ein Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlung für 2020 gestellt werden. Einzelheiten zum Ganzen siehe auch:

https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Einkommensteuer/2020-04-24-Corona-Sofortmassnahme-Antrag-auf-pauschalierte-Herabsetzung-bereits-geleisteter-Vorauszahlungen-fuer-2019.html

Betriebsunterbrechungs­versicherung und Betriebsschließungs­versicherung in der Coronakrise

21. April 2020

ATN Rechtsanwälte

Große Zweifel bestehen derzeit bei vielen versicherten Unternehmen, ob die vorhandenen Versicherungsprodukte in der jetzigen Situation bei Betriebsunterbrechungen oder Betriebsschließungen zur Anwendung kommen. Dieser Beitrag will einen kurzen Überblick über die derzeitige Situation bieten:

1. Betriebsunterbrechungsversicherung greift nicht

Bei der Betriebsunterbrechungsversicherung (BUV) handelt es sich um eine Sachversicherung. Die Versicherung greift, wenn eine versicherte Gefahr Schäden an Betriebsmitteln verursacht, die wiederum zur Betriebsunterbrechung führen. Versicherte Gefahren sind hierbei Feuer, Leitungswasser, Blitz, Einbruchdiebstahl und ähnliches. Eine solche Betriebsunterbrechungsversicherung schützt indes nicht vor behördlich oder gesetzlich verordneten Betriebsschließungen und hilft deshalb in der durch COVID-19 (Corona) ausgelösten aktuellen Krise nicht.

2. Betriebsschließungsversicherung

Versicherungsschutz für die aktuellen Schließungsanordnungen kann bestehen, wenn zusätzlich zur klassischen Betriebsunterbrechungsversicherung eine Betriebsschließungsversicherung (oder ein inhaltlich vergleichbarer Zusatz) abgeschlossen wurde. Diese ist als Zusatzbaustein bei vielen Versicherern erhältlich und kann – je nach Formulierung der Bedingungen – auch in der jetzigen Situation Versicherungsschutz gewähren.

3. Die Bedingungen Ihrer Betriebsschließungsversicherung müssen Infektionskrankheiten umfassen

Die Versicherungsbedingungen müssen auch Betriebsunterbrechungen (-schließungen) infolge von Infektionskrankheiten umfassen. Die Infektionskrankheiten sind in § 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erfasst, auf den die meisten Versicherungsbedingungen verweisen. Zusätzlich sind meldepflichtige Krankheitserreger in § 7 IfSG genannt. Diverse Bedingungen gewähren nur Versicherungsschutz für genau diejenigen Krankheiten und Erreger, die in §§ 6 und 7 IfSG in der Fassung vom 20.07.2000 erwähnt werden. COVID-19 ist allerdings ein neuer Erreger und erst seit dem 30.01.2020 meldepflichtig. Es ist daher zu erwarten, dass Versicherungen die nachträgliche Aufnahme von COVID-19 zum Anlass nehmen werden, das Bestehen von Versicherungsschutz abzulehnen.

Für eine Einbeziehung von COVID-19 in den Versicherungsschutz sprechen hingegen Sinn und Zweck des IfSG. Dieses wurde geschaffen, um den Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten zu verbessern und soll dazu führen, dass bekannte und neue Infektionskrankheiten frühzeitiger erkannt werden, um schneller und zielgerichtet Bekämpfungsmaßnahmen einleiten zu können (so nachzulesen in der amtlichen Gesetzesbegründung: Bundestagsdrucksache BT 14/2530 v. 19.01.2000). § 7 Abs. 2 IfSG bestimmt ausdrücklich, dass auch in dem Gesetz nicht genannte Krankheitserreger meldepflichtig sind, wenn „unter Berücksichtigung der Art der Krankheitserreger und der Häufigkeit ihres Nachweises Hinweise auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit bestehen“. Letzteres ist bei COVID-19 sicherlich der Fall. Insofern dürfte man argumentieren können, dass der Verweis auf das InfsG nicht etwa starr, sondern dynamisch ist.

Aktuell sind sich die Versicherer selbst nicht einig, ob Versicherungsschutz bei ansonsten einschlägigen Versicherungsbedingungen besteht oder nicht.

So hat die Dachorganisation der Versicherer – der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft – in einer internen Mitteilung erklärt, die Betriebsschließungsversicherung greife im Falle der Corona-Epidemie nicht, denn „Infektionsschutzgesetz und Versicherungsschutz gehen in der Regel von einer behördlichen Einzelverfügung aus, die auf die Krankheit oder den Krankheitserreger im betroffenen Betrieb abstellt.“ Mit anderen Worten: Der Versicherungsschutz greife nicht ein, weil COVID-19 und die zu seiner Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen alle Teile der Gesellschaft und nicht einen konkreten Betrieb beträfen.

Andere Versicherungen stellen COVID-19 den in ihren Bedingungen für die gewerbliche Betriebsschließungsversicherung namentlich genannten Krankheitserregern gleich.

Keine Rolle wird es wohl spielen, ob nach den Formulierungen der Versicherungsbedingungen ein Versicherungsschutz nur bei behördlicher Schließungsanordnung bestehen soll, eine Behörde aber (nur) die Öffnung eines Betriebes untersagt. Für den verständigen Versicherungsnehmer läuft dies im Ergebnis auf das Gleiche hinaus und Unklarheiten in den Versicherungsbedingungen gehen zu Lasten des Versicherers.

4. Versicherung und Arbeitnehmer

Falls sich ein Mitarbeiter infolge einer behördlichen Anordnung in Quarantäne aufhält, sollte die Betriebsschließung-Versicherung ebenfalls unverzüglich informiert werden, weil in diesem Fall oftmals Lohnkosten abgesichert sind.

Der Umfang der Versicherungsleistung ist in den einzelnen Verträgen geregelt und in der Regel auf eine Schließungszeit von maximal 30 Tagen begrenzt.

Falls allerdings Entschädigungsansprüche gegen eine Behörde oder den Staat nach dem Infektionsschutzgesetz bestehen, scheiden Ansprüche aus der Betriebsschließung-Versicherung nach den Formulierungen in den Bedingungen in aller Regel aus. Auch dies ist anhand des jeweiligen Vertrages zu prüfen.

5. Fazit

Versicherungsschutz gegen Schäden im Betrieb setzt voraus, dass zusätzlich zur klassischen Betriebsunterbrechungsversicherung auch eine Betriebsschließungsversicherung (oder inhaltlich vergleichbarer Zusatz) abgeschlossen wurde.

Ob Betriebsschließungen in der COVID-19 Krise vom Versicherungsschutz erfasst sind oder als weltweite Pandemie gerade nicht, sehen die Versicherer derzeit unterschiedlich. Teilweise werden den Versicherungsnehmern unter Verweis auf den angeblich nicht bestehenden Versicherungsschutz Vergleiche mit teilweise sehr niedrigen Quoten (z.B. 15% der Versicherungsleistung) angeboten. Hier ist nachdrücklich vor übereilten Entscheidungen zu warnen, sind diese Vergleiche doch zugleich mit einem Verzicht auf weitergehende Ansprüche verbunden.

In vielen Fällen werden die Gerichte entscheiden müssen, wie weit der Versicherungsschutz geht und ob Betriebsschließungen infolge behördlicher/gesetzlicher Anordnungen zur COVID-19 Bekämpfung erfasst sind. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes wird jedoch nach aller Erfahrung nicht vor 2022/23 ergehen und für viele Unternehmer zu spät kommen.

Derzeit kann nur in jedem Einzelfall der dem Kunden zustehende Versicherungsschutz auf der Grundlage des Versicherungsvertrages und der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen eingehend rechtlich geprüft werden, um sachgerecht gegenüber dem jeweiligen Versicherer argumentieren zu können und etwaige Ansprüche durchzusetzen.

Mietrecht in der Corona-Krise – Vertragsanpassungen durch Mieter und Vermieter?

17. April 2020

Rechtsanwalt Karl Neumann, LL.M. und Rechtsanwalt Sebastian Haug, ATN Rechtsanwälte

In unserem ersten Beitrag zum Mietrecht in der Corona-Krise haben wir uns den Neuregelungen zu Art. 240 § 2 EGBGB gewidmet. Dieser sieht Beschränkungen der Kündigungsmöglichkeiten von Miet- und Pachtverhältnissen für Vermieter während der COVID-19-Pandemie vor. Der Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 19/18110) wurde am 25.03.2020 durch den Bundestag angenommen und gilt zunächst bis zum 30.06.2020.

Während Mieter und Pächter nach den dortigen Vorschriften die Zahlung etwaiger Miet- und Pachtzinsen infolge coronabedingter Einkommensausfälle verweigern dürfen, stellt sich die Frage noch in einem anderen Kontext: Können Mieter, die im Stande sind den vereinbarten Mietzinsen zu entrichten, die Zahlung verweigern nur weil ihr Interesse an der Vertragsfortführung auf Grund der behördlichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens weggefallen ist? Man denke etwa an die bereits lange im Voraus geplante Hochzeitsfeier, das Sommerfest oder die für die kommenden Monate angesetzten Abiturfeiern, welche angesichts von Kontaktverboten und Ausgangsbeschränkungen schlicht nicht durchführbar sind.

Kein Fall der Unmöglichkeit, vgl. § 275 Abs. 1 BGB.

Fälle der Unmöglichkeit der Leistung gem. § 275 Abs. 1 BGB mit der Rechtsfolge, dass der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt (§ 326 BGB) liegen nicht vor. Die Bereitstellung der Mietsache durch den Vermieter ist angesichts der angeordneten Kontaktverbote nicht gestört. Der Vermieter ist trotzdem in der Lage die angemietete Halle oder den Saal zur Verfügung zu stellen und auch das gebuchte Catering kann weiterhin frisch zubereitet werden. Der Mieter bleibt daher verpflichtet die vereinbarten Gebühren zu entrichten und hat trotz wegfallenden Interesses an der Durchführung der Veranstaltung grundsätzlich kein Recht die Zahlung zu verweigern.

Aber: Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB?

In Betracht kommt allerdings eine Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage oder sogar ein Rücktritt vom Vertrag soweit eine Anpassung nicht möglich oder unzumutbar erscheint. Das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage hat historische Wurzeln und ist seit dem 01.01.2002 in § 313 BGB kodifiziert. Dort heißt es:

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Das Gesetz bezweckt für den Fall einer nach Vertragsschluss eingetretenen wesentlichen Störung der Vertragsgrundlage einen Ausgleich zwischen dem sog. Bestands- und Erfüllungsinteresse des einen, begünstigten Teils (hier der Vermieter) und dem Anpassungs- oder Beendigungsinteresse des anderen, benachteiligten Teils (hier der Mieter) zu schaffen. Hätten die Parteien von den geänderten Umständen der Corona-Pandemie gewusst, wäre der Vertrag anders oder gar nicht geschlossen worden. Zu denken ist an die Fälle der „Eingriffe von hoher Hand“ bei unvorhersehbaren Gesetzesänderungen, die nicht zu den normalen wirtschaftlichen Risiken zählen und daher nicht von jedem selbst zu tragen sind. Vertragsanpassungen kommen in diesen Fällen nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage grundsätzlich in Betracht (BeckOK BGB/Lorenz, 53. Ed. 1.2.2020, BGB § 313 Rn. 1, 54).

Vergleichbare Präzedenzfälle gibt es nicht.

Zwar wurden pandemische Zustände höchstrichterlich noch nicht zu den Fallgruppen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gezählt. Vergleichbare Präzedenzfälle gibt es daher nicht. Die durch das SARS-CoV-2-Virus ausgelöste Pandemie lässt sich aber durchaus unter § 313 BGB subsumieren, weswegen eine nachträgliche Anpassung obiger Verträge geboten erscheint. Behördlich angeordnete Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote, wie sie derzeit in ganz Deutschland gelten, sind unstreitig unvorhergesehene Änderungen des rechtlichen Dürfens und wären bei Kenntnis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausreichend berücksichtigt worden. Beispielsweise durch gelockerte Stornierungsmöglichkeiten oder durch Gewährung von Gutscheinen bei Eintritt des Risikos, wie sie etwa auch im Veranstaltungsrecht durch das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht“ (Formulierungshilfe des BMJV v. 08.04.2020) vorgeschlagen werden.

Betroffene Mieter sind daher unbedingt gehalten das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen und zur Verhandlungsführung einen Rechtsbeistand suchen. Einseitige Vertragsanpassung sollten mit Blick auf fehlende Präzedenzfälle jedoch vermieden werden.

UPDATE – Gesetzliche Maßnahmen und Regelungen in der Corona-Krise

14. April 2020

UPDATE – Stand 14.04.2020 – Gesetzliche Maßnahmen und Regelungen in der Corona-Krise

1. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Telefon

Arbeitgebern ist sie bereits bekannt. Arbeitnehmer erfahren meist erst im Krankheitsfall von ihr. Die Möglichkeit der Krankschreibung per Telefon durch den eigenen Hausarzt. Grundsätzlich gilt gem. § 4 Abs. 1 S. 2 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit, dass die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nur auf Grund ärztlicher Untersuchung zu erfolgen hat. Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde mit Beschluss des G-BA vom 20.03.2020 in § 4 Abs. 1 S. 3 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie eine befristete Sonderregelung zur telefonischen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen der oberen Atemwege aufgenommen. Diese Regelung wurde nunmehr mit Beschluss vom 29.04.2020 verlängert. Die Befristung gilt vorerst bis zum 18.05.2020 und ermöglicht Vertragsärztinnen und Vertragsärzten die Arbeitsunfähigkeit durch telefonische Anamnese bis zu sieben Tage im Voraus zu bestimmen. Eine einmalige Verlängerung der Krankschreibung für weitere sieben Tage ist möglich. Über eine Verlängerung der Geltungsdauer und Anpassung der Regelung soll vor Ablauf der Befristung entschieden werden, § 4 Abs. 1 S. 4 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie.

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2. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard

Gem. § 3 ArbSchG gehört der betriebliche Arbeitsschutz und damit die Sicherheit und Gesundheit der beschäftigten Arbeitnehmer zu den Grundpflichten des Arbeitgebers. Er ist gehalten die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und psychische Gesundheit unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene möglichst vermieden wird, vgl. § 4 Nr. 1 und 3 ArbSchG. Dies gilt in der derzeitigen Corona-Krise umso mehr. Um diesem Ziel gerecht zu werden wurde der sog. „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“ vom Bundesministerium für Arbeit entwickelt und innerhalb der Bundesregierung abgestimmt; abrufbar unter:

https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Schwerpunkte/sars-cov-2-arbeitsschutzstandard.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Die Umsetzung des „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards“ obliegt dem Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zur betrieblichen Pandemieprävention und gibt ihm zugleich Sicherheit bei der Auswahl und Umsetzung geeigneter Maßnahmen zum Infektionsschutz. Hierzu gehören u.a. die Einführung von Hygieneregeln (Mund- und Nasenschutz, Desinfektionsspender), Abstandsgebote (1,5 m) und insbesondere organisatorische Regelungen zur Minimierung des Personenkontakts von Beschäftigten und Kunden wie etwa transparente Abtrennungen, Vermeidung von Dienstreisen und Präsenzveranstaltungen (Telefon- und Videokonferenz), Schaffung von Teams bei der Nutzung von Mehrfachbüros und Gemeinschaftseinrichtungen (Poolfahrzeuge). Vor allem Büroarbeit ist nach Möglichkeit im Home-Office zu verrichten.

Der „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“ ist zugleich Richtschnur für die Aufsichtsbehörden und Aufsichtsdienste bei der Beratung und Überwachung der Betriebe sowie der notfalls erforderlichen Sanktionierung bei Verstößen. Branchenspezifische Konkretisierungen werden durch die Berufsgenossenschaften bereitgestellt. Weitergehender Hygieneregeln bedarf es sodann nicht. Dass dies ernst zu nehmen ist, zeigt jüngst ein im Kreis Coesfeld geschlossener Fleischbetrieb. Dort wurde die Produktion behördlich untersagt, da insbesondere das Tragen der Mund-Nasen-Schutzmasken im Bereich des Zerlegebandes nicht eingehalten wurden. Die Untersagungsverfügung wurde zwischenzeitlich durch das Verwaltungsgericht Münster bestätigt (Eilrechtsschutz – Beschl. v. 09.05.2020, Az.: 5 L400/20). Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

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3. Entschädigungsleistungen bei KiTa-Schließungen – Vorleistungspflicht des Arbeitgebers.

Seit dem 30.03.2020 können erwerbstätige Sorgeberechtigte gem. § 56 Abs. 1a IfSG eine Entschädigung in Geld für Lohnausfälle beanspruchen, die ihnen für Zeiten entstehen, in denen sie ihre Kinder bei vorübergehender Schließung von Kindertagesstätten oder Schulen infolge der Corona-Pandemie selbst betreuen und keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können. Die Beträge sind von der Bundesagentur für Arbeit zu erstatten, wobei der Arbeitgeber für die Dauer von sechs Wochen vorleistungspflichtig ist, § 56 Abs. 5 IfSG.

Das Ende des vorleistungspflichtigen Leistungszeitraums von sechs Wochen ist derzeit jedoch fraglich. Da die Anspruchsvoraussetzungen mit dem 30.03.2020 zu laufen begannen, wäre grundsätzlich zu erwägen, dass die Vorleistungspflicht des Arbeitgebers mit dem 11.05.2020 geendet hat. Der Arbeitgeber hätte ab diesem Zeitpunkt keine Entschädigungsleistungen mehr zu zahlen. Die Entschädigung ist innerhalb dieses Zeitraums allerdings nur für diejenigen Tage zu leisten, bei denen eine anderweitige Betreuung unzumutbar war oder nicht etwa Ferienzeiten bestanden. Diese könnten den Sechs-Wochen-Zeitraum verlängern. Dafür spricht ebenfalls, dass die Antragsformulare der Bundesagentur für Arbeit von einer tageweisen Berechnung ausgehen, bei denen der Arbeitgeber als Antragsteller alle Tage, für die ein Entschädigungsanspruch entstehen könnte, anzukreuzen hat. Diese Rechtsfrage ist noch nicht abschließend geklärt und wird derzeit in den einzelnen Bundesländern erörtert.

Da nicht auszuschließen ist, dass der Arbeitgeber nur bis zum 11.05.2020 vorleistungspflichtig ist, sollte er die Entschädigung nur unter der ausdrücklichen Erklärung des Vorbehaltes leisten, dass er in der Tat zur Zahlung der Entschädigung verpflichtet ist. Dies sollte unverzüglich mit dem 11.05.2020 im Betrieb per Intranet, Rundschreiben oder persönlicher E-Mail an die betroffenen Arbeitnehmer erfolgen.

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4. Pauschal ermittelter Verlustrücktrag aus 2020

Unternehmer, die infolge der Corona-Krise mit Umsatzeinbußen zu rechnen haben, dürfen sich über Liquiditätshilfen freuen. Sie haben im Vergleich zu den Vorjahren bereits jetzt mit erheblich geringeren Einkünften für das Jahr 2020 zu rechnen und können für den Veranlagungszeitraum 2020 einen rücktragsfähigen Verlust erwarten, § 10d Abs.1 S. 1 EStG. Da die hierfür maßgebliche Prognose und Darlegung der Verluste mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, sollen Anträge auf Herabsetzung der Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2019 auf der Grundlage eines pauschal ermittelten Verlustrücktrags aus 2020 abgewickelt werden können. Der pauschal ermittelte Verlustrücktrag aus 2020 beträgt 15 % der ursprünglich erwarteten Gewinneinkünfte, welche der Festsetzung der Vorauszahlung für 2019 zugrunde gelegt werden und ist bis zu einem Betrag von € 1.000.000,00 bzw. bei Zusammenveranlagung von € 2.000.000,00 abzuziehen. Nach Neuberechnung und Festsetzung der Vorauszahlung für 2019 unter Berücksichtigung des pauschal ermittelten Verlustrücktrags aus 2020, ist die Überzahlung zu erstatten. Darüber hinaus kann gleichzeitig ein Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlung für 2020 gestellt werden. Einzelheiten zum Ganzen siehe auch:

https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Einkommensteuer/2020-04-24-Corona-Sofortmassnahme-Antrag-auf-pauschalierte-Herabsetzung-bereits-geleisteter-Vorauszahlungen-fuer-2019.html

Corona – Maßnahmenpakete und gesetzliche Regelungen – Restrukturierung und Sanierung

3. April 2020

Zusammenfassung der bisherigen gesetzlichen Regelungen und Maßnahmenpakete im Zusammenhang mit der Coronakrise und ein Ausblick auf Restrukturierung und Sanierung

Rechtsanwälte Ignacio Ordejón Zuckermaier (Arbeitsrecht, Steuerrecht und Finanzierung) und Peter Mazzotti (Sanierung, Restrukturierung und Insolvenzrecht), ATN Rechtsanwälte

Die Coronakrise hat uns fest im Griff. Unternehmen müssen aktuell wissen, welche rechtlichen, finanziellen, steuerlichen oder organisatorischen Änderungen sich ergeben haben. Den Überblick über die beinahe täglichen Änderungen zu behalten, ist schwer. Noch schwerer ist es allerdings, Unternehmen einen Ausblick oder eine Perspektive zu bieten, wie sie in drei, fünf oder sechs Monaten aufgestellt sein und welche Konsequenzen die getroffenen Maßnahmen haben werden.
Hinsichtlich der Regelungen im Bereich der Restrukturierung und Sanierung hat sich einiges getan. Wichtig wird die Kombination von kurz- und mittel-/langfristigen Maßnahmen sein, um die Krise zu überstehen. Der Unternehmer wird kurzfristig Liquidität benötigen, ohne mittel- und langfristig unter einer erhöhten Finanzierungslast zusammenzubrechen. Jede Maßnahme, die jetzt wirkt, muss also auch dahingehend bewertet werden, ob sie auf lange Sicht rechtlich und wirtschaftlich tragbar ist.
Es fehlt, scheint es, ein Überblick über den bisherigen Stand der Regelungen. Stichwortartig wollen wir daher nach dem bisherigen Stand die Maßnahmen zusammenfassen, die bereits beschlossen und umgesetzt worden sind:

Welche kurzfristigen Maßnahmen stehen dem Unternehmer bereits jetzt zur Verfügung?

1. Kostenreduzierung

  • Kurzarbeitergeld
  • Stundung von Sozialversicherungsbeiträgen
  • Stundung, Aussetzung, Moratorium bei Dauerschuldverhältnissen

2. Reduzierung von Abgaben

  • Ausgleichsabgabe Schwerbehinderte
  • Stundung / Ratenzahlung von Beiträgen zur Berufsgenossenschaft

3. Steuerliche Maßnahmen

  • Herabsetzung Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungen
  • Zinslose Stundungen für fällige oder fällig werdende Steuern: Einkommen- / Körperschaft- / Umsatzsteuer
  • Absenkung Vorauszahlung Einkommen-/ Körperschaft- / Gewerbesteuer
  • Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen
  • Erlass von Säumniszuschlägen
  • Sondervorauszahlungen für Dauerfristverlängerungen bei derUSt. werden für krisenbetroffene Unternehmen aufNull gesetzt.
  • Stundung, Vollstreckungsaufschub und Anpassung von Vorauszahlungen bei Steuern, die vom Zoll verwaltet werden: Einfuhrumsatzsteuer, Energiesteuer, Luftverkehrsteuer

4. Finanzielle Hilfen

  • KfW Unternehmerkredit: Haftungsfreistellung bis 80% für Betriebsmittelkredite durch die Hausbank bis 200 Mio. EUR. Auch für Großunternehmen mit Umsatz bis zu 2 Mrd. EUR.
  • Gleiche Bedingungen für denERPGründerkredit für Unternehmen mit weniger als 5 Jahren.
  • KfW Kredit für Wachstum – Allgemeine Unternehmensfinanzierung einschließlich Betriebsmittel. Beschränkung auf Investitionen in Innovation und Digitalisierung ist aufgehoben. Risikoübernahme bis zu 70%.
  • KfW Sonderprogramm– Beteiligung an Konsortialfinanzierung für Innovationen und Betriebsmittel. Bis zu 80% Risikoübernahme, aber höchstens 50% der Gesamtverschuldung.
  • Expressbürgschafteninnerhalb von 3 Tagen bis 1 Woche.
  • Großbürgschaftsprogrammder Länder und des Bundes für strukturschwache Regionen ab 20 Mio. EUR.
  • Soforthilfen für Kleinstunternehmerund Soloselbständige (Bund) und Angehörige der Freien Berufe mit bis zu 10 Arbeitnehmern:
    –       Bis 5 Beschäftigte: Einmaliger Zuschuss von bis zu EUR 9.000 für drei Monate
    –       Bis zu 10 Beschäftigte: Einmaliger Zuschuss von bis zu 15.000 EUR für drei Monate – Antragstellung erfolgt über die Länder (NRW: Bezirksregierungen Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln, Münster).
  • Soforthilfen für Kleinunternehmer(Land)
    Unternehmen, Soloselbständige, Angehörige der Freien Berufe, Künstler
    –       Bis zu 50 Beschäftigte
    –       wirtschaftliche Schwierigkeiten wegen Corona (Finanzierungsengpass nicht schon vor dem 01.03.2020)
    –       9.000 EUR für Soloselbständige und Antragsberechtigte bis 5 Beschäftigte
    –       15.000 EUR für Antragsberechtigte bis 10 Beschäftigte
    –       25.000 EUR für Antragsberechtigte bis 50 Beschäftigte

5. Entschädigungen

  • Zahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer bis sechs Wochen nach einem behördlichen Tätigkeitsverbot (nur inländisch) oder Quarantänefall werden nach dem Infektionsschutzgesetz ersetzt.
  • Entschädigung bei Verdienstausfall von Selbständigen nach dem Infektionsschutzgesetz

Was ist jetzt bereits unbedingt im Hinblick auf Insolvenz, Restrukturierung und Sanierung zu beachten?

Die folgenden Punkte sind nur eine summarische Darstellung einer sehr detaillierten gesetzlichen Regelung. Gerne stellen wir Ihnen per Download unser „Merkblatt Insolvenz, Restrukturierung und Sanierung – Corona“ zur Verfügung, in dem die folgenden Punkte im Einzelnen ausgeführt sind:

1. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und Fremdanträgen

In der Zeit vom 01.03. bis 30.09.2020 ist die Insolvenzantragspflicht unter engen Voraussetzungen ausgesetzt. Wer in diesen Fällen verspätet einen Insolvenzantrag stellt, macht sich dadurch nicht strafbar.
Gläubiger können in der Zeit vom 28.03.2020 bis zum 28.06.2020 einen Insolvenzantrag nur stellen, wenn der Eröffnungsgrund bereits vor diesem Zeitraum vorlag.

2. Organhaftung

Nach geltendem Recht läuft ein Geschäftsleiter bei Zahlungen an Dritte in der Krise Gefahr, sich
schadensersatzpflichtig oder sogar strafbar zu machen. Nach der neuen Regelung gelten in der Zeit vom 01.03. bis 30.09.2020 in diesen Fällen besondere Erleichterungen. Wenn die Unternehmung bis zur Corona-Krise gesund war und dies für die Zeit nach der Corona-Krise auch wieder anzunehmen ist, wird von einer Haftung abgesehen.
Aber AchtungEs gibt keine vergleichbare Vorschrift in der Abgabenordnung. Die Haftung nach den §§ 34, 69 AO für nicht abgeführte Steuern gilt derzeit  unverändert – auch im Zeitraum 01.03. bis 30.09.2020. Der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) versucht derzeit, insoweit einen Gleichklang in der Gesetzgebung herbeizuführen.

3. Krisen-Darlehen: Rückgewähr und Besicherung unanfechtbar, kein Nachrang

Fremd- und Gesellschafterdarlehen In der Zeit vom 01.03. bis 30.09.2020 sind bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht gläubigerbenachteiligend oder nachrangig. Darüber hinaus sind eine Reihe von Handlungen (etwa die Sicherung oder Befriedigung von Gläubigerforderungen) unter bestimmten Voraussetzungen nicht anfechtbar.
Sonderregeln gelten auch für Kredite, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und ihren Finanzierungspartnern oder von anderen Institutionen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme anlässlich der COVID-19-Pandemie gewährt werden. Sie werden nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung bewertet. Das gilt auch dann, wenn der Kredit nach dem 30.09.2020 gewährt oder besichert wird.

Was muss der Unternehmer jetzt bereits planen, vorbereiten und umsetzen?

1. Liquiditätsstatus und -planung (abgeleitet aus integrierter Finanzplanung)
Um später nicht strafrechtlich in die Verantwortung und zivilrechtlich in die Haftung genommen zu werden, muss der Geschäftsleiter unverzüglich prüfen, ob für ihn die gesetzliche Vermutung der Corona-bedingten Krise eines Unternehmens und der Sanierungsfähigkeit gilt.
Dazu ist ein Liquiditätsstatus zum 31.12.2019 erforderlich. Bestand zu diesem Stichtag eine Liquiditätsunterdeckung von 10 % oder mehr, muss diese innerhalb von drei Wochen beseitigt worden sein. Kann die Zahlungsfähigkeit zum 31.12.2019 auf diese Weise nicht nachgewiesen werden, gelten die insolvenz-, straf- und zivilrechtlichen Verantwortungsnormen wie bisher. Der Geschäftsleiter muss dann bei späterer Insolvenz also zu seinen Gunsten stets positiv beweisen können, dass die Insolvenzreife erst später eingetreten ist.  Umgekehrt bedeutet das: Will ein insolventes Unternehmen die Sonderregeln für sich in Anspruch nehmen, muss der Geschäftsleiter beweisen können, dass es am 31.12.2019 noch nicht insolvenzreif war.

2. Eigenverwaltung und Schutzschirm
Wenn das Unternehmen zumindest in Teilen operativ ertragfähig ist und saniert werden kann, kann eine Insolvenz in Eigenverwaltung in Frage kommen, um das Unternehmen dauerhaft in eigener Hand zu behalten. Das erforderliche (insolvenz-)rechtliche Know-How stellen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir stehen sowohl als Berater des Schuldners als auch als kooperativer Sachwalter in solchen Konstellationen zur Verfügung.

Wichtig ist, dass die langfristige Fortführung des Unternehmens auch über seine kurzfristige Rettung hinaus nicht aus dem Blick gerät. Wir bieten Ihnen an, Sie durch die Krise zu begleiten. Im Bereich der Rechtsberatung können wir Ihnen schon bezüglich der Planung und Durchführung der kurzfristigen Maßnahmen zur Seite stehen. Ebenso wichtig wird aber die mittel- und langfristige Restrukturierung sein, um das dauerhafte Überleben des Unternehmens zu sichern. Das Know-How und das Instrumentarium hierfür bieten wir Ihnen an. Die Umsetzung sollte kurzfristig gemeinsam erarbeitet werden.
Bitte sprechen Sie uns an. Gerne stehen wir Ihnen telefonisch oder auf elektronischem Weg zur Verfügung.