BGH: Erhöhte Haftung für Geschäftsführer bei Insolvenzverschleppung

2. September 2024

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 24. Juli 2024 (II ZR 206/22) klargestellt, dass ein ausgeschiedener Geschäftsführer gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a InsO grundsätzlich auch für Schäden haftet, die Neugläubiger erleiden, wenn diese nach seinem Ausscheiden in vertragliche Beziehungen mit der Gesellschaft getreten sind, sofern die durch die Verzögerung der Insolvenzanmeldung entstandene Gefahrenlage zum Zeitpunkt der Schadensentstehung noch bestand.

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin etwa 50.000 Euro in Seefrachtcontainer investiert, die von einer Gesellschaft der P+R Gruppe verwaltet werden sollten. Die Investoren erhielten über fünf Jahre einen garantierten Mietzins, und die Container sollten am Ende der Laufzeit zurückgekauft werden. Als das Geschäftsmodell in Schwierigkeiten geriet, versuchte die P+R Gruppe, Liquiditätsprobleme durch neues Anlegerkapital zu überbrücken.

Im März und April 2018 beantragten die P+R Gesellschaften die Eröffnung von Insolvenzverfahren. Der Geschäftsführer mehrerer P+R Gesellschaften, mit denen die Klägerin Verträge geschlossen hatte, verstarb im Juni 2018. Drei der Verträge hatte die Klägerin während der Amtszeit des Geschäftsführers abgeschlossen, den vierten jedoch nach dessen Abberufung. Die Klägerin forderte von der Beklagten als Gesamtrechtsnachfolgerin des verstorbenen Geschäftsführers Schadensersatz wegen Insolvenzverschleppung.

Das Landgericht München I hatte der Klägerin für die ersten drei Verträge Recht gegeben, die Klage im Übrigen jedoch abgewiesen (29 O 11139/19). Das Oberlandesgericht München gab der Berufung der Klägerin auch für den vierten Vertrag statt, jedoch sei die Haftung eines ausgeschiedenen Geschäftsführers grundsätzlich auf Schäden beschränkt, die vor dem Ende seiner Amtszeit entstanden sind, und nur ausnahmsweise auf Verträge, die im Dreiwochenzeitraum des § 15a Abs. 1 InsO aF geschlossen wurden (8 U 2506/20). Mit ihrer Revision verfolgte die Beklagte das Ziel, die gesamte Klage abzuweisen.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hob das Berufungsurteil teilweise auf und stellte klar, dass die Haftung eines ausgeschiedenen Geschäftsführers nicht nur auf Schäden beschränkt sei, die vor dem Ende seiner Amtszeit entstanden sind. Ein ausgeschiedener Geschäftsführer hafte gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO auch für Schäden von Neugläubigern, die erst nach seinem Ausscheiden in vertragliche Beziehungen mit der Gesellschaft getreten sind, sofern die durch seine Verletzung der Insolvenzantragspflicht entstandene Gefahrenlage im Zeitpunkt der Schadensentstehung noch bestand.

Mit dem Ende seiner Organstellung entfällt zwar die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers, jedoch werden bereits begangene Pflichtverletzungen dadurch nicht rückwirkend aufgehoben. Der Geschäftsführer haftet somit auch für Schäden von Neugläubigern, die erst nach seinem Ausscheiden Vertragspartner der Gesellschaft geworden sind, wenn die durch die unterlassene Antragstellung verursachte Gefahrenlage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses fortbestand und für den Schaden ursächlich war.

Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht kann auch nach dem Ende der Organstellung noch mitursächlich für spätere Vertragsschlüsse der Gesellschaft sein, da es bei rechtzeitiger Antragstellung zu diesen Verträgen nicht gekommen wäre. Die daraus entstehenden Schäden sind ebenfalls durch die Pflichtverletzung des ausgeschiedenen Geschäftsführers verursacht, weil die Verzögerung der Insolvenzanmeldung in der Regel zu einer Fortführung der insolvenzreifen Gesellschaft und weiteren Vertragsschlüssen führt.

Der Bundesgerichtshof betonte, dass das Verbot der Insolvenzverschleppung nicht nur dem Schutz des Gesellschaftsvermögens dient, sondern auch verhindern soll, dass insolvenzreife Gesellschaften weiterhin am Geschäftsverkehr teilnehmen und dadurch Gläubiger schädigen oder gefährden. Dieser Schutzzweck bleibt auch nach der Beendigung der Geschäftsführerstellung bestehen, solange die durch die Pflichtverletzung entstandene Gefahrenlage weiterwirkt.

Fazit

Das Urteil des Bundesgerichtshofs erhöht die Haftungsrisiken für Geschäftsführer im Falle einer Insolvenzverschleppung erheblich. Ein ausgeschiedener Geschäftsführer kann nun auch für Schäden haftbar gemacht werden, die nach seinem Ausscheiden entstehen, wenn er zuvor die Insolvenzantragspflicht verletzt hat. Die Entscheidung ist dogmatisch nachvollziehbar, da die Abberufung nicht automatisch den Kausalzusammenhang zwischen der unterlassenen Antragstellung und einem später entstandenen Schaden aufhebt. Selbst wenn die Insolvenzantragspflicht auf den neuen Geschäftsführer übergeht, kann der ausgeschiedene Geschäftsführer weiterhin haften. Wann ein Schaden nicht mehr dem ausgeschiedenen Geschäftsführer zuzurechnen ist, wird anhand einer wertenden Betrachtung ermittelt; ein bloßer Wechsel in der Geschäftsführung reicht hierfür nicht aus.

Das zugehörige Urteil (II ZR 206/22) vom Bundesgerichtshof finden Sie hier.

 

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Erfolgreiches Event: M&A in Krisenzeiten

30. August 2024

Ein Rückblick auf unsere Veranstaltung

Am Mittwoch, 28.08 fand unser dreistündiges Event zum Thema „M&A in Krisen“ in den Räumlichkeiten von ATN statt. Die Veranstaltung bot einen intensiven Austausch und spannende Diskussionen zwischen Unternehmern, Investoren und Beratern über die Herausforderungen und Chancen, die sich in der aktuellen wirtschaftlichen Lage ergeben.

Den Auftakt des Abends bildete ein Impulsvortrag von RA/StB Theresa Krämer, LL.M. und WP/StB Alexander Thees von BREIDENBACH und Partner. Sie beleuchteten die spezifischen rechtlichen und steuerlichen Aspekte von M&A-Transaktionen in Krisenzeiten und gaben wertvolle Einblicke in aktuelle Trends und Entwicklungen.

Im Anschluss folgte eine lebhafte Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Marc d’Avoine und Paul Michels. Auf dem Podium diskutierten hochkarätige Experten wie Andreas Otto, Vorstand der Volksbank im Bergischen Land, WP/StB Alexander Koch und RA Dr. Martin Hüttermann (beide BREIDENBACH und Partner), Dr. Kai Hüttermann von der AURICON Audit GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie RA Prof. Dr. Peter Neu von ATN. Die Diskussion fokussierte sich auf die aktuelle Lage des M&A-Marktes in Krisenzeiten, die Perspektiven für Unternehmen und Investoren und die Rolle von Beratern bei der Bewältigung der damit verbundenen Herausforderungen.

Der Austausch mit den Teilnehmern war intensiv und inspirierend. Unternehmer, Investoren und Berater brachten ihre vielfältigen Perspektiven ein und diskutierten innovative Strategien zur Bewältigung der derzeitigen wirtschaftlichen Herausforderungen.

Der Abend klang bei einem entspannten Get-together aus, das den Teilnehmern die Möglichkeit bot, in informeller Atmosphäre Kontakte zu knüpfen und die gewonnenen Eindrücke zu vertiefen.

Wir danken allen Referenten, Teilnehmern und Gästen für ihre engagierte Teilnahme und freuen uns bereits auf kommende Veranstaltungen!

 

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Sanierungslösung für die I.Con Garcia Industrielackierung GmbH

18. März 2024

Sanierungslösung: Investor übernimmt I.Con Garcia Industrielackierung GmbH in Velbert

  • Insolvenzverwalter Dr. Marc dAvoine mit seinem Team um RA Robin Schmahl und David Offer findet Investorenlösung
  • Unternehmensberatung Dr. Roth begleitet den Prozess und das Verfahren
  • Sämtliche Arbeitsplätze bleiben erhalten

Velbert, 16.03.2024. Für die I.Con Garcia Industrielackierung GmbH wurde eine Investorenlösung gefunden: Die neu gegründete I.Con Garcia OFB-Technik GmbH aus Velbert übernimmt bereits mit Wirkung zum 1. März 2024 die renommierte Industrielackiererei mit Sitz in Velbert. Das Unternehmen kann damit weiterbestehen, den langjährigen Kunden in der Automobilzuliefererindustrie bleibt eine Auftragsverlagerung erspart. Die Investoren rund um Herrn Rohde haben ein neues, motiviertes Managerteam installiert, das das Unternehmen mittelfristig zu seiner alten Stärke zurückführen will. Alle Arbeitsplätze bleiben im Zuge der Investorenlösung erhalten.

 

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ATN unterstützt INTERBODEN bei der Neuausrichtung

13. Februar 2024

Die aktuelle Lage im Projektgeschäft und Baugewerbe ist angespannt. Auch die Dachgesellschaft der INTERBODEN Gruppe, die INTERBODEN GmbH & Co. KG, musste nun notwendige Schritte einleiten und stellte am 07.02.2024 beim Amtsgericht Düsseldorf einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung. Für die Zwischenholdings INTERBODEN Gewerbewelten GmbH & Co. KG und INTERBODEN Lebenswelten GmbH & Co. KG wurden ebenfalls Anträge gestellt, dort im Regelverfahren. Das Amtsgericht gab den Anträgen jeweils statt. Ziel ist eine Sanierung der gesamten Gruppe. Die Verfahren werden durch ATN als Experten für Unternehmenssanierung begleitet.

Die INTERBODEN GmbH & Co. KG ist ein mittelständisches Familienunternehmen mit mehr als 70 Jahren Erfahrung, das innovative Immobilienprojekte umsetzt. Dabei konzentriert es sich vornehmlich auf die Region des Rheinlands. Besonderes Merkmal bei der Entwicklung und Umsetzung von Wohnquartieren und Gewerbeimmobilien ist die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte im Rahmen einer gelebten Nachhaltigkeit. Dies zeichnete die WirtschaftsWoche 2022 mit dem dritten Platz der innovativsten Mittelständler Deutschlands aus.

Die Branche steckt insgesamt in der Krise: Baustoffmangel, gestiegene Baustoffpreise und hohe Zinsen wirken sich bereits seit 2022 negativ aus. Diese Entwicklung dauert länger als erwartet und bringt ein äußerst zurückhaltendes Investoren- und Käuferverhalten mit sich. Auch eine Umsetzung verschiedener Maßnahmen bei INTERBODEN zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse im vergangenen Sommer und über den Jahreswechsel konnten die prekäre Lage nicht abwenden. Erschwerend kommt hinzu, dass laut Zentralverband des deutschen Baugewerbes (ZDB) der Umsatz im Bauhauptgewerbe 2024 real um 3 Prozent sinken soll.

In dieser ernsten Lage hat sich INTERBODEN an ATN gewandt, um die finanzielle Schieflage zu beheben und die Weichen für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg zu stellen. Erklärtes Ziel ist es, die INTERBODEN-Strukturen, Know-how und Kapazitäten inkl. aller Arbeitsplätze zu erhalten. Außerdem sollen im Interesse aller Beteiligten alle laufenden Projekte erfolgreich beendet werden.

„Bereits jetzt läuft die Suche nach einem Investor“, betont Dr. Marc d’Avoine, ATN-Experte für Insolvenzen und Unternehmenssanierung. „Wir sind zuversichtlich, einen starken Partner für INTERBODEN zu finden, wodurch das Unternehmen in eine gute gemeinsame Zukunft blicken wird.“

 

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Neuregelungen in der Kryptowährungsverwahrung – Kosten der Aussonderung bei Insolvenz

31. Januar 2024

Einführung in die Problematik und gesetzliche Neuregelungen

Der digitale Wandel im Finanzsektor bringt ständige Neuerungen mit sich, darunter auch im Bereich der Kryptowährungen. Ein kritischer Aspekt ist die Insolvenz von Kryptoverwahrern. In solchen Fällen fordern Kunden oft massenhaft ihre verwahrten Kryptowerte zurück, was die Frage nach der Kostentragung für die Aussonderung aufwirft. Neue gesetzliche Regelungen, speziell § 46i Abs. 3 KWG und § 44 Abs. 3 KMAG im Kontext des Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG) und des Finanzmarktdigitalisierungsgesetzes (FinmadiG), adressieren diese Herausforderung.

Insolvenz von Kryptoverwahrern: Ein realistisches Szenario
Die Insolvenz von Kryptoverwahrern ist kein unwahrscheinliches Ereignis. Der Fall von FTX hat gezeigt, wie Millionen von Kunden betroffen sein können. In Deutschland, wo die Kryptoverwahrung eine erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung ist, steigt die Anzahl der Kryptoverwahrer stetig, wodurch das Risiko von Insolvenzen zunimmt.

Die neuen Regelungen im Detail

  • Aussonderung von Kryptowerten: Kryptowerte, die auf Blockchain-Technologie basieren, stellen besondere Herausforderungen dar, besonders wenn es um die Aussonderung im Insolvenzfall geht. Das deutsche Recht sieht vor, dass Kunden ihre Werte aussondern können, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.
  • Kostentragung nach § 46i Abs. 3 KWG: Ein Kernpunkt der Neuregelungen ist die Kostentragung. Wenn Kunden der Übertragung ihrer Werte auf ein anderes Institut nicht zustimmen, müssen sie die Kosten der Aussonderung tragen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Bedingungen unzumutbar sind.
  • Änderungen durch das FinmadiG: Das FinmadiG ergänzt das ZuFinG und führt das Kryptomärkteaufsichtsgesetz (KMAG) ein, wobei die Grundstruktur der Kostenregelung beibehalten wird.

Kritik und mögliche Verbesserungen

  • Komplexität und Streitanfälligkeit: Die Regelungen sind komplex und könnten zu Rechtsstreitigkeiten führen, besonders bei unklaren Definitionen wie „unzumutbar“ oder „wesentliche Teile“.
  • Kostenbelastung für die Insolvenzmasse: Die Übernahme der Kosten durch die Insolvenzmasse könnte zu deren Unzulänglichkeit führen, da die Durchführung von tausenden Transaktionen erhebliche Kosten verursacht.
  • Vorschläge zur Vereinfachung: Eine mögliche Lösung könnte sein, die Kosten generell den Kunden aufzuerlegen, um die Last für ungesicherte Gläubiger zu vermeiden. Dies könnte zur Rechtssicherheit beitragen und die Verfahren vereinfachen.

Zusammenfassung und Fazit

Die Neuregelungen im ZuFinG und FinmadiG zur Aussonderung von Kryptowerten bei Insolvenz von Kryptoverwahrern sind ein wichtiger Schritt zur Anpassung des Rechtsrahmens an die digitalisierten Finanzmärkte. Allerdings sind sie auch mit Herausforderungen verbunden, vor allem in Bezug auf die Kostentragung und die Komplexität der Regelungen. Eine Vereinfachung und Klarstellung, insbesondere in Bezug auf die Kostenübernahme durch die Kunden, könnte dabei helfen, die Effizienz zu steigern und Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.

Weiteres ist nachzulesen in dem jüngsten Beitrag von Dr. Marc d´Avoine und Phil Hamacher in der ZRI 2024, 49 „Kryptoassets und Kosten der Aussonderung, § 46i Abs. 3 KWG und § 44 Abs. 3 KMAG“

 

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Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschafts­rechts (MoPeG) seit 01.01.2024 in Kraft

30. Januar 2024

Seit dem 1. Januar 2024 ist das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) in Kraft getreten, das das Personengesellschaftsrecht reformiert. Das MoPeG passt das teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der offenen Handelsgesellschaft (oHG), der Kommanditgesellschaften (KG, einschließlich GmbH & Co. KG) und der Partnerschaftsgesellschaften (PartG), an die Erfordernisse des modernen Wirtschaftslebens an.

Neugestaltung des GbR-Rechts

Ein zentraler Aspekt des MoPeG ist die umfassende Neuregelung des GbR-Rechts. Insbesondere erfährt die rechtsfähige GbR als Grundform aller Personengesellschaften eine umfassende Reform im BGB. Die Neuerungen berücksichtigen dabei bereits höchstrichterlich anerkannte Prinzipien für die Ausgestaltung der GbR.

GbRs können in vielfältigen Formen auftreten und grundsätzlich jeden legalen Gesellschaftszweck verfolgen, der nicht auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist. Nunmehr nimmt das BGB eine klare Unterscheidung zwischen rechtsfähiger und nicht-rechtsfähiger GbR vor (§ 705 Abs. 2 BGB n.F.). Die rechtsfähige GbR nimmt am Rechtsverkehr teil, kann Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. Soweit die Gesellschaft unter einem gemeinschaftlichen Namen ein Unternehmen betreibt, gilt sie als rechtsfähig. Eine Eintragung im neu geschaffenen Gesellschaftsregister ist für die Anerkennung der Rechtsfähigkeit nicht erforderlich. Rechtsfähige GbRs sind danach beispielsweise Arztpraxen, Anwaltssozietäten oder Ingenieurbüros.

Die nicht rechtsfähige GbR ist eine reine Innengesellschaft, dh sie betrifft nur das Verhältnis der Gesellschafter zueinander. Hierzu zählen typischerweise treuhänderische und stille Beteiligungen, aber z.B. auch Tippgemeinschaften.

Gründung und weitgehende Gestaltungsfreiheit

Die Errichtung einer GbR erfolgt durch Vereinbarung eines Gesellschaftsvertrags. Die gesetzlichen Regelungen sind gem. § 708 BGB n.F. weitgehend dispositiv, dh die Gesellschafter können den Gesellschaftsvertrag abweichend von den gesetzlichen Regelungen gestalten. So obliegt z.B. die Geschäftsführung der Gesellschaft weiterhin den Gesellschaftern, die nach § 715 BGB n.F. zur gemeinschaftlichen Geschäftsführung der Gesellschaft befugt sind. Der Gesellschaftsvertrag kann aber einzelnen Gesellschaftern die alleinige Geschäftsführungsbefugnis zuweisen. Zwingend sind aber die Vorschriften zur persönlichen Haftung und zur Vertretungsbefugnis der Gesellschafter gegenüber Dritten (§§ 720 und 721 BGB n.F.), das Klagerecht der Gesellschafter (§ 715b Abs. 2 BGB n.F.) sowie Informationspflichten geschäftsführungsbefugter Gesellschafter (§ 717 BGB n.F.).

Anwachsung und Abfindung

Nach § 712 BGB n.F. wächst der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den übrigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Anteile zu. Scheidet der vorletzte Gesellschafter aus, sieht der neu eingeführte § 712a BGB n.F. vor, dass die Gesellschaft ohne Liquidation erlischt. Das Gesellschaftsvermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über, sofern dieser zur Übernahme bereit ist. Ausgeschiedene Gesellschafter haben nach § 728 BGB n.F: Anspruch auf eine angemessene Abfindung und werden von der Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft befreit. Die sog. Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters ist nunmehr in § 728b BGB n.F. geregelt.

Übertragung der Gesellschaftsanteile und actio pro socio

Die Übertragung von GbR-Gesellschaftsanteilen ist nach § 711 BGB n.F. von der Zustimmung der Mitgesellschafter abhängig. Zusätzlich wurde die Rechtsfigur der „actio pro socio“ (sog. Gesellschafterklage) in § 715b BGB n.F. gesetzlich verankert. Damit ist der bislang bestehende Streit, ob eine gesetzliche Prozessstandschaft vorliegt, positiv entschieden. Jeder Gesellschafter hat danach das Recht, Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Mitgesellschafter im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, sofern der geschäftsführende Gesellschafter die Geltendmachung pflichtwidrig unterlässt. Wusste ein gesellschaftsfremder Dritter um das pflichtwidrige Unterlassen der Durchsetzung von Ansprüchen gegen ihn oder wirkte er gar daran mit, kann jeder Gesellschafter auch im eigenen Namen Ansprüchen der Gesellschaft gegen diesen Dritten durchsetzen.

Gesellschaftsregister für die GbR

Rechtsfähige GbRs können sich nunmehr gem. § 707 BGB n.F. in ein öffentliches Gesellschaftsregister eintragen lassen. Die Anmeldung erfolgt über Notare und ist grundsätzlich freiwillig. Die Anmeldung muss Informationen wie den Namen, Sitz und die Anschrift der Gesellschaft, Angaben zu den Gesellschaftern und deren Vertretungsbefugnissen sowie eine Versicherung darüber enthalten, dass die Gesellschaft nicht bereits im Handels- oder Partnerschaftsregister eingetragen ist. Nach Eintragung im Register muss die GbR nach § 707a Abs. 1 BGB n.F. den Namenszusatz „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ führen. Eine Eintragung ist besonders für GbRs sinnvoll, wenn sie selbst Gesellschafterin einer Gesellschaft ist oder zukünftig an Umwandlungen wie etwa Verschmelzungen, Spaltungen oder Formwechseln teilnehmen will. Ferner schafft man durch die Eintragung Transparenz gegenüber bestehenden und potenziellen Geschäftspartnern.

 

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Pressemitteilung: Nachfolgelösung für Bergman Deutsche Klinik Hilden GmbH

21. Dezember 2023

Investorenvereinbarung unterzeichnet: Nachfolgelösung für
Venenklinik und Derma-MVZ in Hilden erzielt

  • PLUTA und WMCF finden Lösung für Bergman Deutsche Klinik Hilden GmbH
  • ATN-Sachwalter RA Dr. Marc d’Avoine begleitet das Verfahren
  • Sämtliche Arbeitsplätze bleiben erhalten
  • Gläubiger erhalten Quote von 100 Prozent

Düsseldorf, 18. Dezember 2023. Für die Bergman Deutsche Klinik Hilden GmbH, Betreibergesellschaft der Bergman Clinics Klinik im Park, wurde eine Nachfolgelösung erzielt: Prof. Dr. med. Ulrich Hengge aus Düsseldorf übernimmt voraussichtlich mit Wirkung zum 1. Januar 2024 die renommierte Fachklinik für Phlebologie in Hilden, einschließlich des angegliederten medizinischen Versorgungszentrums mit mehreren Standorten im Großraum Düsseldorf. Die Klinik im Park und die verbundenen Standorte können damit weiterbestehen und u. a. Untersuchungen und Operationen für Venenpatienten, aber auch Leistungen im Bereich Dermatologie und Proktologie weiter durchführen. Alle Arbeitsplätze bleiben im Zuge der Investorenlösung erhalten.

Die Betreibergesellschaft der Klinik befindet sich seit April 2023 in einem Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung. Dietmar Eine von der HMG Hospital Management Group GmbH ist seitdem als erfahrenerer Sanierungsgeschäftsführer für die Gesellschaft tätig, so dass der Klinikbetrieb und die Versorgung der Patienten uneingeschränkt fortgeführt werden konnten. Insolvenzrechtlich unterstützen die Sanierungsexperten von PLUTA mit Dr. Christian Kaufmann als Generalbevollmächtigten sowie Rechtsanwalt André Gildehaus und Wirtschaftsjuristin Nicole Neumerkel die Neuaufstellung. Das Amtsgericht bestellte Dr. Marc d‘Avoine von ATN-Rechtsanwälte aus Ratingen zum Sachwalter. Er begleitet das Verfahren im Sinne der Gläubiger.

Herausfordernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Kliniken

Die primären Gründe für die Antragstellung erläutert Geschäftsführer Dietmar Eine: „Hauptgrund war die zunehmende Defizitentwicklung der Fachklinik, die aus den vorgehaltenen Kapazitäten und deren Kostenstrukturen resultierten. Ursächlich ist die zunehmende Ambulantisierung mit einhergehender rückläufiger stationärer Belegung in der Phlebologie.“ Dr. Christian Kaufmann von der PLUTA Rechtsanwalts GmbH erklärt: „Die Gesundheitsbranche insgesamt steht vor großen Herausforderungen, dennoch kann diese Spezialklinik erhalten bleiben. Gemeinsam haben wir Restrukturierungsmaßnahmen zur deutlichen Reduzierung der Kosten durchgeführt, damit die Klinik künftig wieder profitabel wirtschaften kann – mit Erfolg: Die Ergebnisse seit Antragstellung liegen deutlich über Plan.“ In den vergangenen Wochen und Monaten überprüfte das Sanierungsteam die finanzielle Situation der Klinik in Hilden, analysierte Kosten- und Umsatzpotenziale und optimierte interne Prozesse.

Zudem starteten die Sanierungsexperten einen Investorenprozess, um eine Nachfolgelösung für die Gesellschaft zu erreichen. Das Team um Florian Schmidt von der WMCF GmbH begleitete den strukturierten M&A-Prozess, der mit der Übernahme durch den Hautarzt Prof. Dr. med. Ulrich Hengge zum neuen Jahr abgeschlossen ist. Der Facharzt, der mehrere Derma-MVZs in NRW und das Hautzentrum Hengge in Düsseldorf leitet, erläutert: „Die Klinik verfügt über einen sehr guten Ruf und die Kollegen leisten exzellente Arbeit. Das medizinische und pflegerische Team der Klinik im Park setzt bei der Venenbehandlung auf schonende und ästhetische Verfahren sowie schnelle Genesung. Das neben der Klinik befindliche Derma-MVZ bietet alle modernen diagnostischen und therapeutischen Behandlungen der Dermatologie an. Weitere dermatologische und phlebologische MVZs befinden sich in Velbert, Kaarst, Wuppertal und Mettmann. Durch die enge Verzahnung mit dem zentralen Labor von Prof. Hengge in Düsseldorf lassen sich alle Blut- und Gewebeproben aus Klinik und MVZ schnell analysieren.  Auch die Bewertungen durch die behandelten Patienten bescheinigen dem Venen- und dem Haut-Team diesen hohen Anspruch und eine gute Ergebnisqualität.“ In Zukunft wird die Klinik unter dem Namen Remigius Klinik im Park weiterarbeiten.

Sachwalter d’Avoine ergänzt: „Das gesamte Restrukturierungsverfahren verlief sehr konstruktiv. Die Kommunikation war vorbildlich. Alle Beteiligten ziehen an einem Strang, um der renommierten Klinik eine nachhaltige Zukunft zu ermöglichen. Davon profitieren auch die Gläubiger.“ Diese erhalten gemäß dem bestätigten Insolvenzplan eine Quote von 100 Prozent und somit eine vollständige Befriedigung ihrer offenen Forderungen.

Im Erörterungs- und Abstimmungstermin am 23. November 2023 wurde dem Insolvenzplan, der die Einigung mit den Gläubigern regelt, einstimmig zugestimmt. Das Verfahren wird damit voraussichtlich zum Ende dieses Jahres aufgehoben werden.

Jährlich 20.000 Patienten behandelt

Die Klinik im Park wurde 1984 gegründet. Neben dem Venenzentrum gibt es zudem ein Laserzentrum und ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit mehreren Standorten in der Region. Insgesamt werden jährlich mehr als 20.000 Patienten behandelt. Angeboten werden ambulante und stationäre Behandlungen für gesetzlich versicherte Venenpatienten sowie nahezu das gesamte Spektrum der Dermatologie und Proktologie. Viele der erfahrenen ärztlichen und nicht-ärztlichen Mitarbeiter arbeiten seit mehr als 15 Jahren in der Klinik.

Über HMG
Die Hospital Managementgroup GmbH – HMG ist mit knapp 40 Managern der führende Anbieter für Managementleistungen im deutschsprachigen Krankenhauswesen. Zurzeit stellt die HMG für mehr als 20 Krankenhausträger mit 28 Kliniken die Geschäftsführung. Weitere Informationen unter www.hmg-im.de. 

Über PLUTA
PLUTA hilft Unternehmen in rechtlich und wirtschaftlich schwierigen Situationen. Seit der Gründung 1982 ist PLUTA stetig gewachsen und beschäftigt heute rund 500 Mitarbeiter in Deutschland, Spanien und Italien. Mehr als 290 Kaufleute, Betriebswirte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsjuristen, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Ökonomen, Bankfachwirte, Buchhalter, Ingenieure und Fachkräfte für Insolvenzverwaltung, darunter viele mit Mehrfachqualifikationen, sorgen für praktikable, wirtschaftlich sinnvolle Lösungen. PLUTA unterstützt insbesondere bei der Sanierung und Fortführung von Unternehmen in Krisen oder Insolvenzsituationen und entsendet bei Bedarf auch Sanierungsexperten in die Organstellung. PLUTA gehört zur Spitzengruppe der Sanierungs- und Restrukturierungsgesellschaften, was Rankings und Auszeichnungen von INDat, JUVE, The Legal 500, Who’s Who Legal, brandeins und Focus belegen. Weitere Informationen unter www.pluta.net

Über WMCF
WMCF ist eine unabhängige Münchner Corporate Finance / M&A Boutique mit Fokus auf den stationären und ambulanten Gesundheitssektor und einer starken Präsenz im deutschsprachigen Raum (DACH). Seit der Gründung in 2017 hat WMCF unter anderem über 30 Krankenhaustransaktionen, sowie eine gleiche Anzahl an ambulanten MVZ Transaktionen begleitet. Das WMCF Team aus 15 Mitarbeitern verfügt über eine kumulierte Transaktionserfahrung von über 60 Jahren und mehr als 400 begleiteten Transaktionen im grenzüberschreitenden M&A Markt.

Über ATN
ATN ist eine auf Sanierung und Restrukturierung spezialisierte Kanzlei mit erfahrenen Rechtsanwälten, Kaufleuten, Betriebswirten und Steuerberatern, unter Ihnen sind zahlreiche Experten mit Doppelqualifikationen. Das Team wird komplettiert durch etwa 100 Mitarbeiter*innen mit entsprechenden Qualifikationen und nachgewiesener Kompetenz in der Restrukturierung. Ausgezeichnet und erfahren durch viele hundert erfolgreiche Sanierungsfälle begleitet ATN Unternehmen und Unternehmer in der Krise und in Sondersituationen.
www.atn-ra.de

Pressekontakt:
relatio PR
+49 89-210257-22
presse@relatio-pr.de

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Pressemitteilung: Lösung für Unternehmen der S+K Services GmbH i.L., Olpe

21. Dezember 2023

Lösung für das Unternehmen der S+K Services GmbH i. L.

  1. WISAG Gebäudetechnik Nord-West GmbH & Co. KG übernimmt den laufenden Geschäftsbetrieb der S+K Services GmbH i. L.
  2. Bundesweit rund 300 Arbeitsplätze gesichert

Olpe, den 30.11.2023 Mit Wirkung zum 01.11.2023 konnte der operative Geschäftsbetrieb der S+K Services GmbH i. L. mit Sitz in Olpe im Wege einer Unternehmensveräußerung an die WISAG Gebäudetechnik Nord-West GmbH & Co. KG, Wittekindstr. 30, 44137 Dortmund (Kurz: WISAG), übertragen werden. Geschäftsführer der WISAG sind Herr Joachim Sender und Herr Michael Dillmann. Die S+K Services GmbH ist ein deutschlandweit tätiger Industrie- und Gebäudedienstleister. Neben den Gebäude- und Industriedienstleistungen umfasst das Portfolio auch sämtliche Leistungen zur Sicherheit (auch Bewachung) und Reinigung, sowohl für Industrieanlagen als auch Bürogebäude.

Das Liquidationsverfahren der S+K Services GmbH war erforderlich, weil die Gesellschafter die Gesellschaft zum Jahreswechsel 2022 gekündigt hatten. Zum Liquidator wurde der erfahrene Sanierungs- und Restrukturierungsexperte Prof. Dr. Peter Neu von der Kanzlei ATN d’Avoine Teubler Neu Rechtsanwälte, Köln, bestellt, der während des gesamten Verfahrens durch das erfahrene Team um Ruzhdi Ferataj, LL. M. und Rechtsanwalt Florian Voß unterstützt wurde. Die erfolgreiche strukturierte Investorensuche wurde von der TMC Turnaround Management Consult GmbH aus Dortmund durchgeführt.

„Wir sind froh, dass wir mit der WISAG einen renommierten und sehr erfolgreichen Nachfolger für das Unternehmen finden und mit der Übertragung bundesweit rund 300 Arbeitsplätze sichern konnten“, sagt Prof. Dr. Peter Neu. Darüber hinaus werden die bestehenden Strukturen des im Jahre 2016 gegründeten Unternehmens nach erfolgreicher Überleitung vor Ort weiter genutzt. Die Verwaltung des übernommenen Unternehmensteils erfolgt weiterhin federführend aus Olpe. Es ist auch in Zukunft das Ziel, den bundesweit bestehenden Auftraggebern mit kundenorientierten Lösungen zur Seite zu stehen.

Kontakt:
Rechtsanwalt Florian Voß, ATN d`Avoine Teubler Neu Rechtsanwälte
Tel. +49 2191 499 180
E-Mail voss@atn-ra.de

Weitere Informationen:

Über S+K Services
S+K Services ist ein mittelständisches Unternehmen mit ca. 300 Mitarbeitern für die Bereiche Industrieservice, Reinigungsleistungen sowie Sicherheitsdienstleistungen. Durch die langjährige Berufserfahrung unserer kompetenten Mitarbeiter ist S+K Services in der Lage, die gewünschten Dienste in bester Qualität zu erfüllen. Zielgruppen sind die auf professionelle Gebäudedienstleistungen angewiesenen Kunden aus Einzelhandel, Verwaltungen, Banken, Senioren-Residenzen, Industrie, Kindergärten, Schulen, Kitas, Hochschulen, Ministerien, Kasernen, Behörden, Logistikzentren und Verbrauchermärkte.

Über WISAG
Die WISAG Gebäudetechnik Nord-West GmbH & Co. KG ist ein bundesweit tätiges Gebäudetechnik und Facility Management Unternehmen mit insgesamt rund 50.000 Mitarbeitern.

Über ATN
ATN ist eine an mehreren Standorten in NRW ansässige Wirtschaftskanzlei, die mit über 100 Mitarbeitern über besondere Expertise im Bereich Sanierung, Restrukturierung und Insolvenzverwaltung verfügt. ATN gehört in diesem Bereich ausweislich der Wirtschaftswoche zu den Top-Kanzleien in Deutschland.

Über CVM
Die CVM Capital Value Management GmbH mit Sitz in Dortmund gestaltet, begleitet und koordiniert in enger Zusammenarbeit mit ihren Mandanten den gesamten M&A Prozess. Der Fokus liegt auf der Begleitung von mittelständischen Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf Unternehmen in Umbruch- und Sanierungssituationen sowie in der Fortführung aus der Insolvenz.

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BGH Urteil vom 29. Juni 2023: Erweiterte Haftung für Berater

8. August 2023

Der BGH hat mit Urteil vom 29.06.2023 – (IX ZR 56/22) an sein Urteil vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) angeknüpft. Nach dem Urteil 2017 kann eine Steuerberaterhaftung wegen Insolvenzver­schleppung greifen, wenn der StB auch (nur) mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragt war (Rechtsprechungsänderung, DStR 2017, 942 NJW 2017, 1611¸ NZI 2017, 312 (m. Anm. Schädlich); BB 2017, 685 (m. Anm. Hüttemann)¸WM 2017 Heft 8, 383¸ NZG 2017, 468 ¸ZIP 2017, 427;  BeckRS 2017, 101939; LSK 2017, 101939 (Ls.))

 BGH, Urteil vom 29. Juni 2023 – IX ZR 56/22 – erweitert Haftung für Berater

Das Urteil des BGH vom 29.06.2023 – (IX ZR 56/22) geht darüber hinaus und zieht den faktischen GF in den Schutzbereich eines Beratungsvertrages. In den Entscheidungsgründen heißt es:

  1. Die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des zwischen Rechtsberater und Mandant geschlossenen Mandatsvertrags ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil dem Berater im Verhältnis zum Mandanten nur eine Schutz- oder Fürsorgepflichtverletzung zur Last fällt.
  2. Die Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund kann Drittschutz für den Geschäftsleiter der juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit entfalten; Voraussetzung ist ein Näheverhältnis zu der nach dem Mandatsvertrag geschuldeten Hauptleistung.
  3. In den Schutzbereich des Vertrags bei Verletzung der Hinweis- und Warnpflicht bei möglichem Insolvenzgrund kann auch ein faktischer Geschäftsleiter einbezogen sein.

BGH, Urteil vom 29. Juni 2023 – IX ZR 56/22 – OLG Köln LG Aachen

Mit diesem Urteil stellt der BGH die Schutzwirkung von Beratungsverträgen auf Dritte ausdrücklich fest, und zwar auch für diejenigen Fälle, in denen die „Beratung über Insolvenzgründe“ nicht als Hauptleistung vereinbart war. Dort ging es um einen (inzwischen insolventen) Rechtsanwalt, der die Geschäftsleiter einer GmbH & Co. KG nicht korrekt zu § 64 GmbH bzw. § 15a ff. InsO beraten hatte. Eingetragener GF der GmbH war J. M., der Sohn des „Seniors“ M. M, der Ex-GF aber – wohl immer noch – aktiv und daher faktischer GF war.

 Einbeziehung eines Dritten (faktischer GF) in den Schutzbereich des zwischen Rechtsberater und Mandant geschlossenen Mandatsvertrags

Der Vater M. M. und/oder der Sohn J. M. als GF der Komplementärgesellschaft hatten verschiedene Zahlungen der GmbH & Co. KG bei Insolvenzreife vorgenommen, für die der spätere Insolvenzverwalter beide erfolgreich in Anspruch genommen hatte. Zwar vergleich sich die Parteien am Ende auf eine Zahlung von € 85.000,00, die Vater und Sohn als „Gesamtschuldner“ auch erbrachten. Aber die beiden M. (Geschädigte) wollten diesen Betrag von dem Ex-Berater bzw. dem Haftpflichtversicherer des in Insolvenz gefallenen Rechtsanwalts erstattet haben. Die Kläger meinten, der Rechtsanwalt habe seine Beratungspflichten im Blick auf eine bestehende Insolvenzreife der KG verletzt; Sohn und Vater seien als formaler und faktischer Geschäftsführer in den Schutzbereich der mit der KG geschlossenen Mandatsverträge einbezogen gewesen. Damit drangen sie beim BGH durch.

Wenngleich die Einzelheiten des Ausgangsfalls nicht bekannt sind, bedeutet das Urteil vom 29.06.2023 eine massive Ausweitung der Beraterhaftung. Schon nach dem Urteil des BGH vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) kann der Steuerberater wegen Insolvenzver­schleppung haften, wenn der StB auch (nur) mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragt war (Rechtsprechungsänderung). „Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist.

Hinweis- und Warnpflicht des Rechtsberaters bei möglichem Insolvenzgrund mit Drittschutz für GF und faktischen GF

Nunmehr erweitert der BGH die Schutzwirkung von Beratungsverträgen auf Dritte auch für diejenigen Fälle, in denen die „Beratung über Insolvenzgründe“ nicht als Hauptleistung vereinbart war. Auch wenn der BGH noch einige Einschränkungen macht (der Insolvenzgrund muss offenkundig sein oder „sich aufdrängen“) heißt es ab jetzt „erhöhte Obacht bei der Beratung mit Blick auf Randthemen und Annexfragen“. Mit der gestiegenen Haftungsgefahr werden sich Berater künftig enger befassen (müssen).

Krisenfolgen­abmilderungsgesetz

28. November 2022

Krise und Reaktionen des Gesetzgebers mit dem SanInsKG

Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat erneut auf die aktuelle schwerwiegende Krise mit vorübergehenden Änderungen im Insolvenzrecht reagiert. Unternehmer in dramatischen Zeiten und kritischen Situationen sollen Möglichkeiten haben, mit einem Insolvenzantrag ggf. noch zuzuwarten und ggf. Krise selbst zu lösen.
Die wesentlichen Änderungen durch das sogenannte Sanierungs- und insolvenzrechtliche Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG) lauten:

  • Verlängerung der Insolvenzantragsfrist bei Überschuldung von derzeit sechs Wochen auf acht Wochen
  • Verkürzung des Prognosezeitraums für die insolvenzrechtliche Überschuldungsprüfung von zwölf Monaten auf vier Monate
  • Reduzierung des Planungshorizonts für den Zugang zur Eigenverwaltung und den (gerichtlichen/außergerichtlichen) Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG von sechs Monaten auf vier Monate

Wichtig ist der Hinweis, dass der Insolvenzeröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO NICHT geändert wurde.

Das heißt: Die eingetretene Zahlungsunfähigkeit löst – weiterhin und unverändert – eine Insolvenzantragspflicht mit einer maximalen Bearbeitungs- und Handlungsfrist von drei Wochen aus.

Verlängerte Antragspflicht wegen Überschuldung

Unternehmen, die aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Monate oder Jahre ihr Eigenkapital aufgezehrt haben und daher bilanziell überschuldet sind, müssen nicht zwingend Insolvenzantrag stellen. Sie müssen es nicht, wenn sie eine „eine positive Fortführungsprognose“ haben. Dabei gilt ein Betrachtungszeitraum von – nur noch – vier Monaten, in dem die Fortführungsprognose positiv sein muss.

Ist sie negativ, darf der Unternehmer bzw. GF/Geschäftsleiter nun acht Wochen, also etwa die Hälfte des Prognosezeitraums, lang versuchen, seine „Performance zu verbessern“ und so die Fortführungsprognose auf „positiv“ zu stellen. Danach müsste der Unternehmer bzw. Geschäftsleiter aktiv werden und einen Insolvenzantrag stellen. Unterlässt er das, läuft er Gefahr, wegen „Insolvenzverschleppung“ in Haftung genommen zu werden.

Das neue Gesetz dürfte einigen Unternehmen helfen, u.a., wenn es um die baldige Rückzahlung von – lediglich kreditierten – COVID-Hilfsmitteln geht. Gleichwohl rechnet die Sanierungsbranche ab 2023 mit einem höheren Aufkommen an Insolvenzverfahren. Denn tatsächlich kommt es in der Praxis eher auf die Zahlungs(un)fähigkeit an. Sie war immer schon der bei weitem häufigste tatsächliche Grund und auch Auslöser für gestellte Insolvenzanträge.

In jedem Fall bleibt der Tipp an jeden Unternehmer, die Ertrags- und Liquiditätsplanung ständig aktuell zu halten. Zu raten ist, dass stets eine mindestens zwölfmonatige integrierte Ertrags- und Liquiditätsplanung besteht, was auch dokumentiert wird.

Die Übergangsregelung ist für den „Übergang“. Abzuwarten bleibt die nächste Änderung.

Ferner: Erleichterungen bei Eigenverwaltungsverfahren

Die Neuregelung zur Reduzierung des Planungshorizonts wirkt sich auch auf eigenverwaltende Sanierungsverfahren aus. Der Planungshorizont wird dort von sechs auf vier Monate reduziert. Damit ist der Zugang zu solchen Verfahren erleichtert, und zwar für Verfahren nach der Insolvenzordnung und nach dem StaRUG.

Hintergrund:

Eigenverwaltung und „Schutzschirmverfahren“ sind „echte“ Insolvenzverfahren mit der Option auf Insolvenzgeld der Arbeitnehmer für bis zu drei Monaten. Die Befreiung von den Personalkosten kann relevant für die Planung werden. Beim StaRUG-Verfahren gibt es begriffslogisch kein Insolvenzgeld.

Zusammenfassung und Ausblick

Das SanInsKG bietet Erleichterungen für Unternehmen in Schieflage. Die Energiepreis- und Absatzkrise wird aber auch dadurch nicht gelöst werden können. Es kommt weiter auf die Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen an. Die Neuregelungen werden aber dem fähigen Unternehmer mit grds. funktionierendem Geschäftsmodell vorübergehend helfen können.

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