Insolvenz und Steuererstattungen
1. September 2022Steuererstattungsbescheide des FA auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig
BFH Urteil vom 05. April 2022, IX R 27/18
Steuerbescheide, mit denen eine positive Steuer festgesetzt wird, können ausnahmsweise auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam ergehen, wenn sich unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen insgesamt ein Erstattungsbetrag ergibt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 05.04.2022 – IX R 27/18 entschieden, BFH Urteil vom 05. April 2022, IX R 27/18. Das Finanzamt habe keine Insolvenzforderung festgesetzt, die nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden kann, so das Gericht. (Urteil vom 05.04.2022 – IX R 27/18)
ECLI:DE:BFH:2022:U.050422.IXR27.18.0
BFH IX. Senat
AO § 125 Abs 1, AO § 251 Abs 2 S 1, AO § 251 Abs 3, EStG § 17 Abs 1 S 1, EStG § 17 Abs 4 S 1, EStG § 4 Abs 1, EStG § 5 Abs 1, InsO § 174 Abs 1 S 1, InsO § 87, EStG VZ 2014
vorgehend FG Düsseldorf, 04. Oktober 2018, Az: 11 K 1921/16 E
Leitsätze
1. Steuerbescheide, mit denen eine positive Steuer festgesetzt wird, können ausnahmsweise auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam ergehen, wenn sich unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen insgesamt ein Erstattungsbetrag ergibt und auch keine Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe von Steuerforderungen beeinflussen, welche zur Tabelle anzumelden sind.
2. Wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt, entsteht ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 EStG nicht bereits zu dem Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Bestätigung des Senatsurteils vom 13.03.2018 – IX R 38/16, BFH/NV 2018, 721).
Vorliegend ging es um einen – unstreitigen – Erstattungsbetrag wegen einbehaltener Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer, der mit Bescheid nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens festgesetzt worden war.
Im Streitfall reichte der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Ehepaars eine Einkommensteuererklärung beim Finanzamt ein. Dieses setzte die Einkommensteuer erklärungsgemäß in Höhe von rund 29.000 EUR fest. Unter Berücksichtigung einbehaltener Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer ergab sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von rund 2.500 EUR. Dagegen wandte sich der Kläger mit Einspruch und Klage und machte geltend, das Finanzamt dürfe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine (förmlichen) Bescheide mehr erlassen, sondern nur noch (einfache) Abrechnungen erstellen.
Ausnahme für sogenannte Nullbescheide
Dem ist der BFH nicht gefolgt und hat die Handhabung der Finanzverwaltung bestätigt. Zwar dürften Steuerbescheide nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ergehen, wenn darin Insolvenzforderungen festgesetzt werden. Vielmehr müsse das Finanzamt Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zur Tabelle anmelden. Eine Ausnahme gelte für sogenannte Nullbescheide sowie für Umsatzsteuerbescheide, mit denen eine negative Steuer festgesetzt wird und aus denen sich keine Zahllast ergibt.
Entschiedener Fall vergleichbar
Ein vergleichbarer Ausnahmefall liegt nach Ansicht des BFH auch dann vor, wenn sich – trotz positiver Steuer – unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen eine Erstattung ergibt. Einem derartigen Bescheid fehle die abstrakte Eignung, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken. Denn damit habe das Finanzamt keine Insolvenzforderung festgesetzt, die nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden kann.
Bundesfinanzhof Urteil vom 05.04.2022, IX R 27/18
BFH Urteil vom 05. April 2022, IX R 27/18
ECLI:DE:BFH:2022:U.050422.IXR27.18.0
BFH IX. Senat
AO § 125 Abs 1, AO § 251 Abs 2 S 1, AO § 251 Abs 3, EStG § 17 Abs 1 S 1, EStG § 17 Abs 4 S 1, EStG § 4 Abs 1, EStG § 5 Abs 1, InsO § 174 Abs 1 S 1, InsO § 87, EStG VZ 2014
vorgehend FG Düsseldorf, 04. Oktober 2018, Az: 11 K 1921/16 E
siehe auch:
Harder, Steuerliche Erstattungsansprüche in der Insolvenz – Haftungsfalle für Insolvenzverwalter, VIA 2022, 1
BFH, Erlass eines „Erstattungsbescheids“ nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ZRI 2021, 95
FG Düsseldorf, Erlass eines Einkommensteuerbescheids nach Insolvenzeröffnung: Erstattungsanspruch nach Abrechnung – Durchbrechung der Bestandskraft der Steuerfestsetzung bei nachträglicher Anmeldung einer Insolvenzforderung, BeckRS 2018, 28425 (Vorinstanz)
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