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Kryptowährungen im Insolvenzverfahren – Sicherung, Behandlung, Verwertung und mehr

16. November 2021

Was sind Krypotowährungen, Blockchain, Krypto, Coins oder Token? Bei der Einordnung der Begriffe spielen Emotionen und Vorerfahrungen mit Finanzprodukten eine wesentliche Rolle.

Einleitung zu Kryptowährungen

Objektiv betrachtet handelt es sich bei Kryptowährungen schlicht um digitale Vermögenswerte. Die Besonderheit liegt darin, dass Kryptowährungen nicht unmittelbar staatlich kontrolliert oder reguliert werden. Dies trägt zu dem weit verbreiteten Bild bei, Kryptowährungen seien völlig anonym und Transaktionen nicht nachvollziehbar. Das ist in dieser Einfachheit nicht richtig.

Grundlegende Technik von Cyberdevisen

Inzwischen gibt es mehr als 10.000 verschiedene Krypto-Projekte. Das weltweite Handelsvolumen der Top 100 Kryptowährungen beträgt derzeit mehrere Milliarden Euro pro Tag. Der im Jahr 2009 erfundene Bitcoin basiert dabei auf einer von allen Teilnehmern gemeinsam verwalteten dezentralen Datenbank, der Blockchain. Sie ist eine öffentlich einsehbare und von allen Nutzern geteilte Datenbank, in der Transaktionsdaten gespeichert werden.

Im Gegensatz zu Banknoten, die durch eine Zentralbank ausgegeben werden, werden Bitcoins durch die computerbasierte Lösung kryptographischer Aufgaben, das sogenannte „Mining“, erschaffen. Das Kreieren neuer Blöcke der Blockchain erfordert enorme Rechenleistungen und gleichsam enormen Energieeinsatz. Ende Oktober 2021 waren bereits 18.86 Mio. Bitcoins im Umlauf. Insbesondere durch diese Beschränkung ist der Bitcoin die letzten Jahre erheblich im Wert gestiegen. Die Markkapitalisierung allein des Bitcoins beläuft sich derzeit auf rund 1.193.545 Mrd. USD.

Aber auch die Alternativen zum Bitcoin, sog. „Altcoins“, zeigen eine beeindruckende Entwicklung. Die bekanntesten Altcoins sind Ether (ETH), Tether (USDT), Ripple (XRP), Chain Link (LINK), Binance Coin (BNB) oder Bitcoin Cash (BCH). Allen Kryptowährungen gemein ist, dass inzwischen jede Privatperson ohne Hintergrundwissen per App oder online in digitale Währungen investieren, kaufen und verkaufen  und diese zum Teil auch im Zahlungsverkehr nutzen kann.

Blockchain

Die meisten Kryptowährungen bauen auf der Blockchain-Technologie auf. Die Blockchain ähnelt dabei einem digitalen Kontenbuch. Aus technischer Sicht ist es ein digitales, chronologisch aufgebautes, dezentrales und nahezu fälschungssicheres Datenregister. Dieses Register wird auf einer „peer-to-peer“ -Basis geführt. Peers sind im Netzwerk gleichberechtigte Teilnehmer, die auch als „Nodes“ bezeichnet werden können. Die Besonderheit ist, dass in einem peer-to-peer-Netzwerk – anders als bei einem Cloudsystem – die gespeicherten Daten auf den Computern der Teilnehmer gespeichert werden. Ohne zentrale Speicherung sämtlicher Daten in einem einzigen System, ist der Datenbestand vor lokalen Schadenereignissen geschützt. Auch lässt sich die Blockchain stets aktuell halten. Weichen die gespeicherten Versionen von einander ab, so gilt immer diejenige, die die längste Blockchain enthält.

In der Blockchain werden Information in Blöcken gespeichert und aneinandergereiht. Die dann aneinandergereihten Blöcke werden kryptographisch verschlüsselt und so „verkettet“. Die Verschlüsselung erfolgt über sog. „Hashes“. Hashes sind am ehesten als kryptographisch digitale Signaturen oder Fingerabdrücke zu charakterisieren.

Wallet und Key

Um eine Transaktion von einem Netzwerkteilnehmer zu einem anderen vorzunehmen, verwendet die Blockchain das „Public-/Private-Key-Konzept“. Jeder Teilnehmer verfügt über zwei Schlüssel, einen Public Key und einem Private Key. Der „public key“ ist eine Adresse innerhalb der Blockchain, welcher Token zugeordnet werden können. Er ist vergleichbar mit einer Kontonummer eines Bankkontos.

Neben dem Public Key existiert ein sog. „private key“, welcher mit der PIN eines Girokontos vergleichbar ist. Dieser verbleibt beim Netzwerkteilnehmer und dient der Signatur von Transaktionen.  Der Private Key ist der Schlüssel, um Token zu transferieren. Mit ihm steht und fällt die Berechtigung über die dem Public Key zugeordneten Token zu verfügen. Von dem Private Key kann zwar mathematisch auf den Public Key geschlossen werden, umgekehrt ist dies jedoch nicht möglich.

Als „Wallet“ wird der Ort verstanden, an dem die Netzwerkteilnehmer ihre Private Keys aufbewahren. Auch wenn der Begriff es suggeriert, eine tatsächliche Übertragung von Token in eine Wallet findet technisch nicht statt. Der Zweck einer Wallet besteht allein in dem Ausschluss Dritter von der Verfügung über Kryptowerte, die dem jeweiligen Public Key des Netzwerkteilnehmers zugeordnet sind. Die grundlegendste Unterscheidung, insbesondere hinsichtlich der Behandlung in der Insolvenz, besteht in der Anbieter(un)abhängigkeit.

Behandlung und Verwertung in der Insolvenz

Dass Kryptowerte Vermögen darstellen, ist seit dem 01.01.2020 unmittelbar aus § 1 Abs. 11 S. 4 KWG ersichtlich. Das wohl größte Problem eines pot. Insolvenzverwalters bleibt wohl die Erlangung der Kenntnis über vorhandene Kryptowerte beim Schuldner oder Ansprüche gegen Dritte, die auf Übertragung von Kryptowerten gerichtet sind. Zwar ist der Schuldner zur Auskunft hierüber verpflichtet. Die Praxis zeigt jedoch immer wieder die Schwierigkeiten bei der Identifizierung von Werten, wozu es meist der Mitwirkung des Schuldners bedarf. Da Kryptowerte ausschließlich in digitaler Form bestehen und da Kryptowährungen nach wie vor eine gewisse Anonymität nachgesagt wird, könnten Schuldner dazu verleitet sein, falsche oder gar keine Angaben in dieser Hinsicht zu machen.

Ist bekannt, dass der Schuldner Inhaber einer Wallet und Inhaber von Kryptowährungseinheiten ist, hat der Insolvenzverwalter gemäß § 148 Abs. 1 InsO diese in Besitz und Verwaltung zu nehmen. Die Sicherung von Kryptowerten ist in hohem Maße eilbedürftig. Denn solange der Schuldner in der Lage ist, Token auf einen Dritten zu transferieren, ist der Totalverlust zu befürchten. Bekanntlich lässt selbst die Kenntnis des empfangenden Public Keys gerade keinen Rückschluss auf die Identität des Inhabers zu. Ein neuer Erwerber wäre ohne Mitwirkung des Schuldners nicht ermittelbar.

Für die Verwertung bieten sich mehrere Möglichkeiten an. Grundsätzlich kann die Verwertung auch über einen Krypto-Marktplatz, eine Krypto-Börse oder auch freihändig erfolgen. Hierfür ist die Inbesitznahme durch den Insolvenzverwalter notwendig. Dafür ist wiederum die oben dargestellte Unterscheidung der Anbieter(un)abhängigkeit von zentraler Bedeutung.

Für die Verwertung von Token, welche durch eine anbieterunabhängige Wallet gesichert sind, muss der Insolvenzverwalter sowohl den Public Key als auch den Private Key vom Schuldner erhalten. Im Fall einer anbieterabhängigen Wallet braucht der Insolvenzverwalter jedenfalls Kenntnis des Anbieters.

Die Verwertung kann auch durch Veräußerung beider Keys freihändig erfolgen. Dies erfolgt durch Übermittlung Zug-um-Zug gegen Zahlung des entsprechenden Gegenwertes in EUR auf das Treuhand- oder Insolvenzsonderkonto.

Die Verwertung einer anbieterabhängigen Wallet erfolgt unmittelbar über den Login des Anbieters oder Kryptoverwahrers. Der Insolvenzverwalter kann sich aufgrund der ihm eingeräumten Verfügungsmacht – sofern die Zugangsdaten bekannt sind – einloggen und die Umwandlung selbst vornehmen. Der Gegenwert in EUR wird in der Regel einem Bankkonto des Schuldners gutgeschrieben. Der Auskehrung des Betrages auf das Treuhand- oder Insolvenzsonderkonto steht danach nichts weiter im Wege. Sollte der Schuldner die Login-Daten nicht offenbaren, lassen sich (neue) Zugangsdaten beim jeweiligen Kryptoverwahrer erfahren.

Die rechtlichen und technischen Fragen bei der Sicherung, Behandlung und Verwertung von Kryptowährungen entwickeln sich rasant und bedürfen der weiteren Untersuchung, Analyse und Entwicklung.