Kryptowerte
Art – Einordnung – Behandlung in Krise und Insolvenz
8. April 2022Art und Einordnung von Kryptowerten
Krypotowerte und Kryptowährungen haben Einzug erhalten in die globalen Finanzsysteme. Kryptotoken, wie zum Beispiel Bitcoin, sind handelbares Tauschmittel. Eine staatliche Kontrolle oder Regulierung ist zwar angestrebt. Bislang sind die meisten Kryptowährungen allerdings weitestgehend nicht reguliert. Weit verbreitet ist die Vorstellung, dass Kryptowährungen anonym und Transaktionen nicht nachvollziehbar seien. Das ist in der Einfachheit nicht korrekt.
Die globale Marktkapitalisierung von Kryptowerten bzw. – währungen liegt bei € 112 Milliarden [1]. Die Tendenz ist steigend. Jedermann kann im Internet schnell und vergleichsweise unkompliziert Kryptowerte erwerben. Als Teilnehmer im Kryptospace, können auf einfachem Wege staatlich anerkannte Währungen (Euro, Dollar, u.a.) in Kryptowerte transferiert werden.
Behandlung in Krise und Insolvenz
In der Krise mögen gerade Kryptowerte ein Mittel der Finanzierung sein. Der Zeitpunkt der Transaktion bzw. des Verkaufs ist von entscheidender Bedeutung, da Kryptowerte bekanntlich hohen Wertschwankungen unterliegen. Allein Pressemitteilungen von Investoren, Kaufabsichten von Organisationen, Banken oder institutionellen Anlegern aber auch Krisen wie Covid-19 oder der Ukrainekrieg lassen die Werte zum Teil binnen Stunden fallen aber auch steigen, und zwar im zweistelligen Prozentbereich. Spekulationen rund um Kryptowährungen beeinflussen die ohnehin sehr volatilen Werte enorm.
Aus Sicht eines Insolvenzverwalters ist die Behandlung von Kryptowährungen in der Insolvenz hoch anspruchsvoll. Es stellt sich zunächst das Problem, ob Kryptowährungen überhaupt Teil der Insolvenzmasse sind. Und wenn ja, wie die Verwertung am besten erfolgt. Fraglich ist weiter, wie der Insolvenzverwalter Kenntnis dieser Werte erlangt und welche Konsequenzen Insolvenzschuldnern drohen, die sich weigern bei der Aufklärung oder Verwertung mitzuwirken.
Rechtsqualität geregelt
Der deutsche Gesetzgeber hat die Rechtsqualität von Kryptowährungen in § 1 Abs. 11 Satz 4 Kreditwesengesetz (KWG) definiert. Hiernach sind Kryptowährungen digitale Darstellungen eines Wertes, welche als Zahlungsmittel oder Anlagezwecken dienen und ausschließlich elektronisch übertragen, gespeichert und gehandelt werden. Dass Kryptowerte Vermögen darstellen, dürfte bereits aufgrund der regen Marktpräsenz auf der Hand liegen.
Kryptowährungen sind Teil der Insolvenzmasse
Im Ergebnis fallen Kryptowährungen auch unter die Insolvenzmasse nach § 35 Insolvenzordnung (InsO). Nach den Grundsätzen des deutschen Insolvenzrechts soll der Insolvenzverwalter mit Insolvenzeröffnung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners ausüben, § 80 Abs. 1 InsO.
Inhaberschaft des private keys
Zur Transaktion eines Krypotwertes sind technische Grundkenntnisse erforderlich. Die technischen Anforderungen sind zum Teil umfangreich und kompliziert. Es kommt dabei entscheidend darauf an, wo der Berechtigte bzw. der Insolvenzschuldner seinen private key aufbewahrt. Dieser private key ist nämlich zwingend als Legitimation des Verfügenden notwendig, um Transaktionen von Kryptowerten auszuführen. Gespeichert wird der private key in einer Wallet. Diese Wallet kann unterschiedlich ausgestaltet sein (Hardware-, Paperwallet, etc). Der Schuldner kann die Wallet selbst unterhalten oder auch einen Anbieter mit der Aufbewahrung (Kryptoverwahrer) beauftragen. Dieser Anbieter hat dem Insolvenzverwalter auf Anfrage die Verfügungsgewalt einzuräumen. Problematischer ist es jedoch, wenn der Schuldner seinen private key selbst verwaltet.
Kenntnis über Kryptowerte
Für den Insolvenzverwalter ist es oft schwierig, überhaupt Informationen über vorhandene Kryptowerte zu erlangen. Es besteht die Gefahr, dass Insolvenzschuldner vorhandene Kryptowerte „vergessen“ oder sogar wissentlich verschweigen. Die Aufklärung ist dann erheblich erschwert. Über Kontoauszüge des Schuldners könnten Umwandlungen oder Käufe von Kryptowerten aufgedeckt werden. Ansonsten besteht natürlich auch die Möglichkeit, Kenntnis von Seiten einzelner Gläubiger, welche rückständige Kryptowerte im Insolvenzverfahren zur Tabelle anmelden, zu erlangen. Ohne die Mitwirkung von Dritten ist die Kenntniserlangung jedoch schier unmöglich.
Mitwirkung des Schuldners und zwangsweise Durchsetzung
Sollten Kryptowerte des Schuldners bekannt sein, ist der Schuldner verpflichtet, bei der Verwertung mitzuwirken, § 97 InsO. Hierzu kann er aufgefordert werden, die Kryptowerte direkt in eine staatliche Währung wie EUR umzuwandeln und den Umrechnungswert an die Insolvenzmasse auszuzahlen. Im Übrigen kann er auch dazu aufgefordert werden, den private key oder den Verwahrer des private keys bekanntzugeben. Erst mit dem private key erhält der Insolvenzverwalter unmittelbare Verfügungsgewalt über Kryptowerte bzw. -währungen.
Sollte sich der Schuldner weigern, im Verfahren mitzuwirken, kann dieser nach dem deutschen Insolvenzrecht auch mit Zwangsmaßnahmen (§ 98 InsO) belegt werden. Hierzu stehen Zwangsmittel wie die zwangsweise Vorführung oder sogar Haft zur Verfügung. Die Haftdauer wäre jedoch gemäß § 802j Abs. 1 Satz 1 ZPO auf einen Zeitraum von sechs Monaten beschränkt. Sollte der Schuldner die Haftdauer durchstehen, sind weitergehende Zwangsmittel der Insolvenzordnung nicht gegeben. Gem. § 300 Abs. 3 InsO wäre auch auf Antrag eines Gläubigers über die Versagung der Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht zu entscheiden. Weitergehende Maßnahmen, um den Insolvenzschuldner zur Bekanntgabe der Zugangsdaten zu zwingen, stellt die Insolvenzordnung nicht zur Verfügung.
Verwertung in der Insolvenz
Ist der Insolvenzverwalter letztlich im Besitz des private keys, hat er mehrere Möglichkeiten vorhandene Kryptowährungen zu verwerten. Am einfachsten ist es, den private key direkt an eine dritte Person zu verkaufen und gegen Zahlung einer staatlichen Währung an diese herauszugeben. Mit dem private key könnte der Insolvenzverwalter die Kryptowerte bzw. -währungen auch unmittelbar selbst transferieren oder bei einer anerkannten Krytobörse in eine staatliche Währung umwandeln. Oder er schaltet spezielle Dienstleister ein, die ihn bei der Verwertung treuhänderisch unterstützen.
Gefahren bei der Verwertung
Bei der Verwertung ist Eile geboten. Der Marktwert einzelner Kryptowerte ist enorm volatil. Erhebliche Kursschwankungen bis hin zum möglichen Totalverlust des Kryptowertes erfordern rasches Handeln des Insolvenzverwalters. Zugleich ist auch bei Kenntnis des private keys nicht ausgeschlossen, dass der Schuldner diesen weiterhin verwendet und unberechtigte Transaktionen zu Dritten ausführt. Das direkte Transferieren der Kryptowerte in das Vermögen des Insolvenzverwalters als Sicherungsmaßnahme sollte – aus Haftungsgründen – vermieden werden. Auch wenn sich dies insbesondere dann anbietet, wenn der Insolvenzverwalter selbst Teilnehmer im Kryptospace ist.
Fazit und Ausblick
Krypotowerte spielen in Krise und Insolvenz zunehmend eine wichtige Rolle. Die globalen Finanzsysteme müssen Kryptotoken behandeln. Ob und wie künftig eine staatliche Kontrolle oder Regulierung erfolgen kann oder soll, ist offen. Schon die aktuelle und die zukünftig zu erwartende Marktkapitalisierung von Kryptowährungen (aktuell ca. € 112 Milliarden) und die Fähigkeit, im Kryptospace in staatlich anerkannte Währungen (Euro, Dollar, u.a.) transferiert zu werden, zwingt zu erhöhter Beachtung in allen Bereichen. Kryptowerte stehen damit auch zunehmend im Fokus für Sanierer und Insolvenzverwalter. Sie zu behandeln, zu sichern und extrem volatile Werte zu verwerten, ist Aufgabe und Herausforderung zugleich.
[1] Quelle: https://coinmarketcap.com/ (zuletzt aufgerufen 01.04.2022)
Art – Einordnung – Behandlung in Krise und Insolvenz