StaRUG: Änderungen im Planverfahren u.a.
4. Oktober 2022Die EU-Richtlinie 2019/1023 über „…Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren…“ (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) führte zum deutschen Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG). Das SanInsFoG gilt seit dem 01.01.2021 und beinhaltet vor allem das „Unternehmensstabilisierungs- und –restrukturierungsgesetz“ (StaRUG) mit den Möglichkeiten eines Restrukturierungsplans.
1. Grundkonzept präventiver Restrukturierungsrahmen und Restrukturierungsplan
Der präventive Restrukturierungsrahmen ist das Kernstück des StaRUG. Es handelt sich um ein (vorinsolvenzliches) gerichtsarm ausgestaltetes Sanierungsinstrument. Strukturell siedelt sich der Restrukturierungsrahmen zwischen dem Insolvenzplanverfahren, welches ebenso einer Mehrheitsentscheidung der Gläubiger bedarf, und der außergerichtlichen Sanierung, die nur im Konsens aller Gläubiger erfolgen kann, an.
Die Umsetzung eines Restrukturierungsvorhabens gegen den Widerstand einzelner Gläubiger war bis zum StaRUG nur im Insolvenzplanverfahren möglich, welches aber ebenso kostspielig wie zeitintensiv sein kann. Die außergerichtliche Sanierung hingegen ist auf die Kooperation aller Gläubiger angewiesen, sodass einzelne Gläubiger das außergerichtliche Sanierungsvorhaben blockieren können. Dieses Bewusstsein der Gläubiger hemmt die Bereitschaft, Eingeständnisse im außergerichtlichen Sanierungsverfahren zu machen.
Der Restrukturierungsrahmen steht nach § 29 Abs. 1 StaRUG allen Unternehmen offen, die „nur“ drohend zahlungsunfähig i.S.v. § 18 InsO sind. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Das SanInsFoG bestimmt den Prognosezeitraum auf regelmäßig 24 Monate. Die Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit verlangt zudem die vollständige richterliche Überzeugung, die im Rahmen der Amtsermittlung nach § 39 Abs. 1 S. 1 StaRUG zu bilden ist (vgl. AG Köln, Beschluss vom 3.3.2021 – 83 RES 1/21).
Das Restrukturierungsvorhaben wird maßgeblich durch den Restrukturierungsplan (§§ 5 ff. StaRUG) geprägt, wobei die Planinitiative vom Schuldner ausgehen muss. Dieser hat das Restrukturierungsvorhaben gem. § 17 Abs. 1 StaRUG nach Maßgabe des vorgelegten Plans durch eigenständige Verhandlungen mit seinen Gläubigern voranzutreiben. Etwaige Vollstreckungs- bzw. Verwertungssperren bedürfen jedoch einer gerichtlichen Anordnung.
Zudem kann beim zuständigen Restrukturierungsgericht ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden, dem jedoch, anders als im Insolvenzverfahren, nur eine moderierende Aufgabe zukommt. Sollen im Rahmen des von der Schuldnerin vorgelegten Restrukturierungsplans indes die Rechte von mittleren, kleinen und Kleinstunternehmern mitgestaltet werden, so muss nach § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StaRUG von Amts wegen ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt werden. Ziel der Bestellung des Restrukturierungsbeauftragten ist es, für eine sachgerechte Interessenwahrung für die vom Restrukturierungsplan betroffenen Gläubiger zu sorgen.
Das Planangebot des Schuldners steht gem. § 18 StaRUG unter der Bedingung, „dass sämtliche Planbetroffene zustimmen oder dass der Plan gerichtlich bestätigt wird“. Um zu verhindern, dass ein Restrukturierungsvorhaben an dem Widerstand einzelner, z.T. geringfügig tangierter, Gläubiger scheitert, werden die Planbetroffenen entsprechend ihres rechtlichen Status und dem Umfang ihrer Gläubigerstellung in Gruppen eingeordnet, die dann repräsentativ an der Abstimmung über das Planangebot des Schuldners teilnehmen. Innerhalb der einzelnen Gruppen genügt gem. § 25 Abs. 1 StaRUG zur Planzustimmung eine qualifizierte Gläubigermehrheit von 75 Prozent.
2. Änderungen des StaRUG in Bezug auf den Restrukturierungsplan per 27.07.2022
Das StaRUG ist bereits zum 27.07.2022 geändert worden, und zwar durch Artikel 12 des „Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung genossenschafts- sowie insolvenz- und restrukturierungsrechtlicher Vorschriften“. Bisher sah § 45 Abs. 3 StaRUG vor, dass die Planbetroffenen zum Abstimmungstermin über den Restrukturierungsplan zu laden sind, was aber durchaus ohne gleichzeitige Versendung des Plans vor dem Termin an die Planbetroffenen geschehen konnte. Nunmehr muss schon mit der Ladung zum Anhörungstermin nach § 48 StaRUG auch der vollständige Restrukturierungsplan nebst Anlagen beigefügt werden. Erfolgt das nicht, kann das Gericht die Bestätigung des Plans verweigern, § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG. Es reicht aber aus, wenn der aktuelle Planentwurf beigefügt wird.
Die betroffenen Gläubiger sollen rechtzeitig informiert werden, was sich erklärt, wenn in ihre Rechte eingegriffen werden soll. Die Zustellung macht das Gericht aber in der Regel nicht selbst, sondern übertragt diese Obliegenheit auf den Schuldner, § 45 Abs. 3 S. 3 StaRUG, der dann mit der Zustellung der Ladung zum Abstimmungstermin auch den Plan bzw. den aktuellen Entwurf nebst Anlagen übersendet.
Danach ist aber wieder das Gericht originär aktiv. Nach § 65 Abs. 2 S. 2 StaRUG muss das Gericht einen im Abstimmungstermin geänderten Plan (Regelfall) nach Bestätigung zwingend an die Planbetroffenen versenden. Bei unverändertem Plan muss das Gericht jedenfalls den Hinweis auf die Bestätigung an alle Planbetroffenen versenden.
In vielen Fällen sind mehrere Dutzend Gläubiger betroffen, mitunter auch mehr als 100. Wenn das Gericht den Plan mit Kopien/Abschriften zustellen muss, kann das bei der Justiz logistische Herausforderung bedeuten, was zu Verzögerungen führen kann. Nun eilen die Sachen aber meist, weil die Pläne i.d.R. Fristen und Termin sowie Stichtage enthalten. Um auch hier schneller zu werden, wäre eine weitere gesetzliche Änderung sinnvoll, nämlich die erweiterte Möglichkeit der Übertragung der Versendung an den Schuldner oder Restrukturierungsbeauftragten. Abzuwarten bleibt, ob das StaRUG noch einmal angepasst wird.
3. Speziell: Versagung der Bestätigung des Plans bei fehlerhafter Unternehmensbewertung im Rahmen des „nächstbesten Szenarios“ nur bei Antrag eines Gläubigers und vorherigem Widerspruch dieses Gläubigers im Abstimmungstermin
§ 63 Abs. 2 StaRUG regelt jetzt (neu), dass im Falle einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung („cross-class-cram-down“) die Bestätigung des Plans wegen fehlerhafter Bewertung des nächstbesten Alternativszenarios nur sofort und nur unter bestimmten Bedingungen versagt werden kann: Ein hierdurch benachteiligter Planbetroffener muss dies im Wege der sofortigen Beschwerde beantragen. Ein solcher Antrag ist nur dann zulässig, wenn der Planbetroffene zuvor im Abstimmungstermin ausdrücklich widersprochen hat. Kommt der Widerspruch nicht, ist auch die sofortige Beschwerde unzulässig. Es reicht daher nicht, im Abstimmungstermin zu fehlen. Das wirkt zwar wie eine Gegenstimme zum Plan, jedoch ist das halt noch kein Widerspruch gegen den Plan.
4. Restrukturierungsbeauftragter mit neuen Aufgaben
Eine relevante Figur im Restrukturierungsverfahren ist der Restrukturierungsbeauftragte (RB). Nach dem neuen § 76 Abs. 2 Nr. 4 StaRUG hat der von Amts wegen bestellte RB nun auch die Aufgabe, den Schuldner und die Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungskonzepts und des auf ihm basierenden Plans zu unterstützen. Das hat der aktive und kreative RB auch schon vor der Gesetzesänderung als seine – allerdings untergeordnete – Aufgabe verstanden und unterstützt; nun ist es Teil des StaRUG.
Der RB arbeitet nach Stundensätzen, welche das Gericht festsetzt, meist zwischen € 250,00 und € 300,00 /h + USt., in begründeten Ausnahmefällen auch höher. Die neuen Aufgaben werden die Kosten des Restrukturierungsbeauftragten jetzt erhöhen, der RB ist halt stärker eingebunden und länger aktiv. Damit entfernt sich der Gesetzgeber etwas von dem Ansatz eines kostengünstigen Sanierungsverfahrens. Zudem erscheint die Neureglung wegen der grds. Unabhängigkeit und Neutralität des Restrukturierungsbeauftragten schwierig. Er war nach der Grundkonzeption ein überwachender Mediator. Der „neue“ Restrukturierungsbeauftragte soll jetzt den Plan mitausarbeiten und mitverhandeln. Das Dilemma sollte bedacht werden; der umsichtige RB wird in der Praxis seine Tätigkeiten genau abzuwägen haben. Zudem wird er das Gericht exakt über alle Tätigkeiten, Mitwirkungen und Schritte per Bericht zu informieren haben, damit evtl. Konflikte jedenfalls rechtzeitig aktenkundig und damit allen Beteiligten bekannt sind.
5. FAZIT: StaRUG und ESUG
ESUG 2011 und StaRUG 2021/2022 enthalten heute diverse wirksame Sanierungsinstrumente. Der Restrukturierungsrahmen kennt einen Plan, der dem im Insolvenzplanverfahren ähnelt. In allen Fällen werden grds. Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger notwendig. Aber die Umsetzung eines Plans oder Restrukturierungsvorhabens gegen den Widerstand einzelner Gläubiger ist durchaus möglich. Die „deutsche Antwort“ auf das englische Scheme of arrangement passt.
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